Von Klaus Stein
Seltsames war im November auf dem Fußweg am Nonnenbach zu beobachten: Drei Männer der Stadtgärtnerei gaben sich alle Mühe, welke Blätter von der Wiese am Bach mit höllisch lauten Laubbläsern zusammenzublassen. Weiteres Personal war damit beschäftigt, die das Herbstlaub, zumeist von Kastanien, zum Abtransport vorzubereiten.
Ähnliches war am Eselsdamm geschehen. speyer-info fragte bei der Stadt nach, was das zu bedeuten haben, ob es so etwas wie Arbeitsbeschaffung sei. Jeder, der sich um naturnahe Umweltgestaltung bemüht weiß, dass Herbstlaub eine wichtige Funktion für das Überwintern von Insekten oder Säugetieren wie Igel oder seltene Mäusearten erfüllt.
Es sei natürlich keine Arbeitsbeschaffung sondern man wolle damit die sogenannte Roßkastanienminermotte eindämmen. Dieser kleine Falter, vor etwa 30 Jahren vom Balkan her eingewandert, sorgt dafür, dass bereits im Sommer Blätter der Roßkastanie braun werden und abfallen. Als Zuwanderer hat sie kaum natürliche Feinde, allerdings interessieren sich aber Blau- und Kohlmeisen sowie andere Insekten fressende Vögel zunehmend für diese reichhaltige Nahrungsquelle.
Als "Unwissenschaftlichen Blödsinn" bezeichnete der von speyer-info zu Rate gezogene Forstwissenschaftler Volker Ziesling die Stellungnahme der Stadt. Es handle sich lediglich um ein "ästhetisches" Problem, denn die Rosskastanien würden durch den Larvenfraß Miniermotte nicht absterben. Aus bisherigen Erfahrungen gehe hervor, dass selbst stark von der Motte befallene Bäume viele weitere Jahre den Befall problemlos überstehen. Wenn sie absterben, dann sind es zusätzliche Stressfaktoren wie Streusalz, Wasserprobleme und vor allem die mechanische Belastung für die Wurzeln durch den Autoverkehr.
Ähnlich sieht es auch die Naturschutz-Fachorganisation "NABU": "Mit großem finanziellen und personellen Aufwand werden Kampagnen à la 'Rettet unsere Kastanien – Motten stoppen – Blätter sammeln' gestartet, Schulklassen zum Kastanienblättersammeln abgeordnet und Trupps von mit Laubbläsern bewaffneten Gemeindemitarbeitern pusten auch das letzte Blatt von den innerörtlichen Grünflächen. Muss das eigentlich sein?", fragt der NABU und zweifelt an der Sinnhaftigkeit solcher Aktionen. Die ökologischen Kollateralschäden seien beträchtlich: "Es werden nicht nur die Blätter der Kastanie, sondern zwangsläufig die Blätter anderer Gehölzarten sowie eine Vielzahl von Organismen aus den Grünflächen entfernt. Dies bedeutet eine erhebliche Verschlechterung der ökologischen Bedingungen der sowieso schon besonders beeinträchtigen Grün- und Parkflächen unserer Städte und Gemeinden - und das alles wegen einiger Schönheitsflecken auf grünem Grund."
Leider belegt das Verhalten der Speyerer Stadtgärtnerei einmal mehr, dass man sich schwer damit tut, neue Erkenntnisse in die tägliche Arbeit einfließen zu lassen nach dem Motto, "das haben wir schon immer so gemacht."
Dabei ist ein Umdenken angesichts des Artensterbens, das vor allem bei Insekten dramatische Formen annimmt, dringend geboten. Es gibt immer noch zu viele Rasen-Grünflächen und zu wenige Blumenwiesen in der Stadt. "Einfach mal wachsen lassen" empfahl vor einigen Wochen eine Biologin in einem Fernsehbericht.
Nehmen wir uns im neuen Jahr vor, es öfter einfach mal wachsen zu lassen. Das ist nicht nur gut für das Ökosystem, sondern auch für den Geldbeutel. (Foto: ks)