Am 8. Juni 1846 begann Johann Schraudolph mit der Ausmalung des Speyerer Doms, die er nach siebenjähriger Arbeit 1853 beendete. Für etwa 100 Jahre war das Innere des Doms vollständig mit Fresken geschmückt. Während der großen Dom-Restaurierung wurde dann fast die gesamte Innenausmalung entfernt. Reste der Fresken sind heute noch im Mittelschiff und im Kaiser-saal zu sehen.
Beschluss zur Ausmalung des Doms
„Ich habe mich entschlossen den Dom malen zu lassen“, verkündete König Ludwig I. 1843 in Speyer nach einem Besuch des Speyerer Doms. Die Ausmalung war Herzenssache des Königs, der den Dom durch den künstlerischen Großauftrag nicht nur verschönern, sondern auch in besonderer Weise auszeichnen wollte. Damit mit der Ausmalung begonnen werden konnte, waren mehrere Schritte notwendig. Zunächst wurde ein Vertrag zwischen Ludwig I. und Schraudolph geschlossen, in dem die Rahmenbedingungen und das Bildprogramm festgehalten wurden. Unter anderem heißt es hier: „Der Historienmaler Johann Schraudolph übernimmt die Ausmalung a buon Fresio des Speierer Domes mit Gegenständen aus dem neuen Testamente sowie der späteren Kirchengeschichte […] [er] verpflichtet sich die ganze Malerei im Zeitraum von zehn Jahren zu vollenden.“ Ein Original dieses „Contractes“ liegt heute im Bistumsarchiv Speyer.
Für das theologische Bildprogramm war der Speyerer Bischof Nikolaus von Weis verantwortlich. Unterstützt wurde er durch den Domkapitular Wilhelm Molitor und den späteren Bischof Konrad Reither. Neben einem großen Freskenzyklus mit Szenen aus dem Leben Marias, entstanden kleinere Bildfolgen zum Leben und Wirken der Heiligen Stephanus und Bernhard von Clairvaux.
Die Ausmalung
Die Ausmalung zählte zu den größten Kunstprojekten des 19. Jahrhunderts – immerhin handelte es sich um eine Fläche von mehr als 4.000 Quadratmetern. Gemalt wurde „al fresco“ einer handwerklich anspruchsvollen Technik, die eine sichere und schnelle Arbeitsweise erfordert. Für die Farben vermischte man Magerquark und gelöschten Kalk mit grob geriebenen Erdfarben, die mit Kalksinterwasser verdünnt wurden. Anschließend trug man sie auf den am Morgen aufgebrachten noch frischen Putz auf – daher auch die Bezeichnung Fresco, was „frisch“ bedeutet. Durch den relativ hohen Wassergehalt der Farben, waren diese transparent und konnten übereinander aufgetragen werden. So erhielten sie eine besondere Leuchtkraft. Johann Schraudolph hatte sein Handwerk unter anderem bei Joseph Schlotthauer, einem besonders versierten Freskenmaler, erlernt. Über ihn war Schraudolph auch mit einer Gruppe von Künstlern in Kontakt gekommen, die den Nazarenern nahestand. Durch sie erlebte die Freskomalerei in gewisser Weise eine kleine Renaissance. Darüber hinaus stimmte die religiöse Motivation der Künstler mit dem Ideal Ludwig I überein, der an die Veredelung des Menschen durch Kunst und Wissenschaft glaubte und die Absicht hegte, das Volk auf diesem Weg religiös zu erziehen.
Die Entfernung der Fresken im 20. Jahrhundert
Knapp ein Jahrhundert später, war die anfängliche Begeisterung über die Fresken verblasst. Vor allem das wenig zimperliche Vorgehen zur Schaffung von Malflächen sorgte für eine ablehnende Haltung: Man hatte die Sandsteine mit spitzen Einkerbungen versehen, Fenster und Nischen geschlossen und Gesimse abgeschlagen. Auch kam der Malstil der Nazarener schon recht bald nach der Ausmalung des Doms außer Mode und die Darstellungen wurden als „süßlich“ geschmäht. Im Zuge der großen Domrestaurierung 1957 wurden beinahe alle Fresken entfernt. Lediglich der sogenannte Marienzyklus, große Bildflächen im Mittelschiff, blieb „in situ“, also an Ort und Stelle, erhalten. Einige andere bildlichen Darstellungen wurden vom Herxheimer Restaurator Otto Schulz von der Wand abgelöst und sind seit 2021 größtenteils im Kaisersaal des Doms zu sehen.