Von Klaus Stein
Als Christian Felber vor etwa vier Jahren bei einem Vortrag in Speyer seine Vision einer alternativen Wirtschaftsordnung vorstellte, da waren die zirka 100 Besucher im Ägidienhaius regelrecht elektrisiert von der "Gemeinwohlökonomie", wie er es nannte. Geht das, gut leben in einer Welt, in der die Wirtschaft im Einklang mit ethischen Werten ist? Wenn man dem Wiener Wirtschaftsreformer, Autor und Gründungsmitglied von Attac Österreich Glauben schenkt, dann ist ein solches Wirtschaften mit einer Marktwirtschaft kompatibel.
Gemeinwohlökonomie ist ein alternatives Modell zum Kapitalismus. Nach der allgemein geltenden Auffassung bemisst sich Erfolg am maximalen Profit, auch wenn ethisches Handeln oft auf der Strecke bleibt. Dabei steht in der bayerischen Verfassung: "Alle wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl." Auch im Grundgesetzt gibt des eine Gemeinwohl-Verpflichtung. Allerdings sieht die Realität anders aus: Globale Erwärmung, steigende Arbeitslosigkeit und eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sind nur einige Indikatoren die zeigen, dass die derzeitige Wirtschaftsweise nicht dem Gemeinwohl-Gedanken entspricht. Erlaubt ist, was Profite verspricht - nach uns die Sintflut, scheint das Motto zu sein. Menschen Tiere und Pflanzen werden gnadenlos ausgebeutet, und das weltweit.
Wie es auch anders geht zeigen über 2.000 Unternehmen, zahlreiche Initiativen und Privatpersonen, die sich dem Prinzip der Gemeinwohl-Ökonomie verpflichteten, das eine Wirtschaftswelt schaffen will, die auf den Werten der Menschenwürde, Solidarität und Nachhaltigkeit basiert."Es braucht die Freiheit, die Begrenztheit des Planeten und unsere Einheit mit ihm und allem zu erkennen und zu akzeptieren, dann fällt es nicht schwer und bedarf nicht des Mutes, nachhaltig zu werden, sondern es wird dann ein Bedürfnis", so Felber in einem Interview.Jeder könne sofort damit beginnen, sein Leben nach ethischen Grundsätzen auszurichten, denn "den verlässlichsten ethischen Kompass tragen wir im eigenen Herzen."
Die Vision
Die Gemeinwohl-Ökonomie setzt auf Solidarität und Kooperation. Einfühlungsvermögen statt innerer Leere, Sinnsetzung durch eigenes Handeln statt Handeln in Fremdauftrag, Belohnung von Zusammenarbeit statt Ellbogenmentalität, Grundwerte, die wir eigentlich für Richtig erkannt haben, wir unsere Kindererziehung danach ausrichten, im Wirtsachaftsbereich aber meist außer Kraft setzen.
Menschen arbeiten, um sich ein gutes Leben zu ermöglichen: soziale Sicherheit, erfüllende Beziehungen, Genuss der Natur gehören dazu, nicht aber die Maximierung des Einkommens. Ziel des Wirtschaftens von Unternehmen ist die Steigerung des Gemeinwohls und nicht des Gewinns. Erfolgreiches Wirtschaften spiegelt sich in einer hohen Punktzahl in der Gemeinwohlbilanz wider. Trotzdem funktioniert die Gemeinwohl-Ökonomie marktwirtschaftlich - allerdings treibt Kooperation das System an, und nicht Gewinn- und Vorteilsstreben. Der weltweite Ressourcenverbrauch hat sich dadurch gesenkt und die Menschen arbeiten nachhaltig und vertrauensvoll miteinander, auch über Ländergrenzen hinweg. Kapital wird möglichst gleich verteilt, um Chancengleichheit beim Start ins Berufsleben bzw. bei der Gründung von Unternehmen zu schaffen. In basisdemokratischen Prozessen in Staat und Unternehmen wird definiert, was das Gemeinwohl fördert und wie es gemessen und unterstützt werden kann.