Speyer. In einem Brief an die Pfarreien und alle Mitarbeitenden des Bistums bringt Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann seine tiefe Trauer um den am Morgen des 31. Dezember 2022 verstorbenen Papst em. Benedikt XVI. zum Ausdruck. Darin würdigt er ihn als "einen der größten Theologen der Gegenwart" und wichtigen Wegbereiter und Interpreten des II. Vatikanischen Konzils: "Das theologische Denken von Papst emeritus Benedikt XVI. war zutiefst biblisch verwurzelt, schöpfte aus der ganzen Breite der kirchlichen Tradition und zielte darauf ab, Glaube und Vernunft miteinander zu versöhnen."

Bischof Wiesmann erinnert in seinem Schreiben an zahlreiche persönliche Begegnungen, die ihn tief beeindruckt hätten. "Bereits während meiner Studienzeit in Rom in den 1980er Jahren habe ich ihn als Präfekt der Glaubenskongregation kennen- und schätzen gelernt. Die Begegnungen mit ihm nach seiner Wahl zum ersten deutschen Papst seit fünf Jahrhunderten haben bei mir stets einen tiefen Eindruck hinterlassen."
Zweimal war Kardinal Joseph Ratzinger auch in Speyer zu Gast: 1987, als Begleiter von Papst Johannes II. bei dessen denkwürdigen Besuch in Speyer, und am Pfingstfest 1990, als er im Dom einen wegweisenden Vortrag zu den Hoffnungen und Gefahren Europas angesichts der Vollendung der Deutschen Einheit hielt.
Mit Blick auf das achtjährige Pontifikat von Benedikt XVI. betont der Speyerer Bischof Wiesemann: "Den Petrusdienst hat er auf die ihm eigene Weise ausgeübt: getragen von einer spürbar tiefen Spiritualität, mit theologischer Brillanz und menschlich bescheiden zugleich." Wiesemann erinnert an die zahlreichen Enzykliken und Predigten, theologischen und pastoralen Impulse, ökumenischen und interreligiösen Begegnungen, mit denen der frühere Papst das christliche Zeugnis inmitten der Welt gestärkt und die katholische Kirche tief geprägt habe: "Vor allem mit seinem unerwarteten Rücktritt im Februar 2013 hat er gezeigt: Hinter jedem Amt in der Kirche, auch hinter dem Papstamt, steht ein konkreter Mensch mit seinen Stärken und Fähigkeiten, aber auch mit seinen Grenzen und Schwächen."
Als Bischof, dem die Aufarbeitung und Prävention von sexuellem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche ein sehr wichtiges Anliegen ist, thematisiert Wiesemann auch die Kritik und Diskussionen um den Umgang mit Missbrauchsfällen während Ratzingers Zeit als Erzbischof von München und Freising: "Ich kann die Kritik derer nachvollziehen, die sich von Papst em. Benedikt XVI. ein klareres Wort der Verantwortungsübernahme und des persönlichen Versagens gewünscht hätten." Dennoch dürfe bei dieser Kritik nicht aus dem Blick geraten, wie sehr sich Joseph Ratzinger bereits als Präfekt der Glaubenskongregation und noch mehr als Papst dafür eingesetzt habe, sexualisierte Gewalt aufzudecken und Täter zur Verantwortung zu ziehen. Und wie wichtig es ihm gewesen sei, Betroffenen zu begegnen und sie im Namen der Kirche um Entschuldigung zu bitten, so der Speyerer Bischof. (Foto: Bettina Deuter)