Forschern unter der Leitung der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) und der Universität Wien ist es gelungen, den Grundbaustein für einen neuartigen Computerschaltkreis zu konstruieren: Statt Elektronen übernehmen Magnonen im Nanoformat die Informationsübertragung. Der sogenannte "magnonische Halbaddierer", der in der Fachzeitschrift Nature Electronics beschrieben wird, benötigt nur drei Nanodrähte und weitaus weniger Energie als moderne Computerchips.
Ein Team aus Physikern hat einen Meilenstein auf der Suche nach kleineren und energieeffizienteren Bauteilen für die computergestützte Datenverarbeitung erreicht: Im Verbund haben sie einen integrierten Schaltkreis aus magnetischem Material und Magnonen entwickelt. Damit lassen sich binäre Daten – eine Abfolge aus Einsen und Nullen – übertragen, auf denen die Grundsprache der heutigen Computer und Smartphones basiert.
Der neue Schaltkreis ist extrem winzig und weist ein stromlinienförmiges 2D-Design auf, welches etwa zehnmal weniger Energie benötigt als moderne Computerchips, die CMOS-Technologie verwenden. Der aktuelle Magnon-Prototyp ist zwar nicht so schnell wie das CMOS-System. Jedoch eröffnet die erfolgreiche Demonstration nun die Chance, den magnonischen Halbaddierer im Hinblick auf Anwendungen im Quanten- oder neuromorphen Computing weiter zu erforschen.
Erfolgreiche Zusammenarbeit
Der Prototyp ist das Ergebnis einer vierjährigen Forschungstätigkeit, die durch einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) für Andrii Chumak finanziert werden konnte. Eng eingebunden waren Jun.-Prof. Dr. Philipp Pirro von der TUK und Dr. Qi Wang, der derzeit als Postdoc an der Universität Wien tätig ist. Univ.-Prof. Chumak begann die Arbeit an der TUK und leitet nun eine Forschungsgruppe an der Universität Wien.
"Wir sind sehr glücklich, dass uns das Vorhaben, welches bereits vor einigen Jahren geplant war, jetzt gelungen ist. Und das Ergebnis ist sogar besser als erwartet", sagt Chumak. Der erste Entwurf für den Magnonen-Schaltkreis sei noch sehr komplex gewesen. Dank gelte Wang, dem Hauptautor der Arbeit, der das Design im Projektverlauf "mindestens hundertmal besser" gemacht habe. "Wir sehen jetzt, dass magnonenbasierte Schaltungen genauso gut sein können wie CMOS. Das reicht jedoch leider noch nicht aus, um die Industrie zu begeistern. Dafür müsste unser Schaltkreis wahrscheinlich noch mindestens hundertmal kleiner sein und hundertmal schneller arbeiten", sagt Chumak. "Nichtsdestoweniger eröffnet unser Bauteil fantastische Möglichkeiten jenseits binärer Daten, zum Beispiel für quantenmagnonisches Rechnen bei sehr niedrigen Temperaturen. Pirro fügt hinzu: "Wir sind auch interessiert daran, den Schaltkreis für neuromorphe magnonische Computer anzupassen, die sich an der Arbeitsweise unseres Gehirns orientieren."
Wie es funktioniert
Die Komponenten des Nanoschaltkreises messen weniger als ein Mikrometer, sind weitaus dünner als ein menschliches Haar und selbst unter dem Mikroskop kaum sichtbar. Der Schaltkreis setzt sich aus drei Nanodrähten zusammen, die aus einem magnetischen Material namens Yttrium-Eisen-Granat bestehen. Die Drähte werden eng aneinander liegend positioniert, um zwei Richtungskoppler zu bilden, die die Magnonen durch die Drähte führen. Magnonen sind Quanten von Spinwellen – man kann sich diese wie Wellen auf der Oberfläche eines Teiches vorstellen, nachdem ein Stein hineingeworfen wurde. In diesem speziellen Fall werden die Wellen allerdings durch Verzerrungen in der magnetischen Ordnung eines festen Materials auf der Quantenebene gebildet. Das Team hat viel Arbeit investiert, um die optimale Nanodrahtlänge und den besten Abstand der Drähte zueinander herauszufinden, mit der bzw. mit dem sich die gewünschten Ergebnisse erzielen lassen. Wang arbeitete an dem Projekt für seine Doktorarbeit an der TUK. "Ich habe ein paar hundert Simulationen für verschiedene Typen von Halbaddierern durchgeführt", sagt er. "Beim aktuellen Prototypen handelt es sich um den dritten oder vierten Entwurf."
Beim ersten Koppler, bei dem zwei Drähte sehr nahe aneinander liegen, wird die Spinwelle in zwei Hälften geteilt. Eine Hälfte geht zum zweiten Koppler, wo sie zwischen den Drähten hin- und herspringt. Abhängig von der Amplitude tritt die Welle entweder am oberen oder am unteren Draht aus, was einer binären "1" bzw. "0" entspricht. Da die Schaltung zwei Richtkoppler enthält, die zwei Informationsströme addieren, bildet sie einen Halbaddierer, eine der universellsten Komponenten von Computerchips. Millionen dieser Schaltkreise können kombiniert werden, um immer komplexere Berechnungen und Funktionen durchzuführen.
"Was in normalen Computern typischerweise Hunderte von Komponenten und 14 Transistoren erfordert, benötigt hier nur drei Nanodrähte, eine Spinwelle und nichtlineare Physik", bringt es Pirro auf den Punkt.
Zukünftige Anwendungen
Pirro, der zurzeit an der TUK im Rahmen des Sonderforschungsbereichs "Spin+X" das Fachgebiet des Spintronic-Computing (Spintronic = Spin Elektronik) leitet, wird jetzt den Einsatz des Magnon-Schaltkreises für das neuromorphe Rechnen erforschen. Hierbei geht es nicht um Datenverarbeitung nach dem binären Prinzip, sondern vielmehr darum, sich der Funktionsweise des menschlichen Gehirns anzunähern. Denn Spinwellen sind für ein komplexeres und rausch-tolerantes Design wesentlich besser geeignet. Sie haben auch das Potenzial, deutlich mehr Informationen zu transportieren, weil sie zwei Parameter bieten – die Amplitude, also die Wellenhöhe, und die Phase, sprich den Wellenwinkel. Beim aktuellen Ansatz hatte das Team die Phase noch nicht als Variable verwendet, um ihn für die binäre Datenverarbeitung möglichst einfach zu halten.
"Wenn dieses Gerät bereits mit CMOS konkurrieren kann, auch wenn es nicht die volle Leistung des wellenbasierten Ansatzes nutzt, können wir ziemlich sicher sein, dass ein Konzept, welches das volle Leistungsspektrum der Spinwelle nutzt, in speziellen Bereichen effizienter sein kann als CMOS", sagt Pirro. "Denn das ultimative Ziel ist natürlich die Kombination der Stärken der CMOS- und der Magnonik-Technologie. (Foto: TUK)