"Die Wahl hat das Gesicht des Stadtrats stark verändert", konstatierte Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler (SPD) zu Beginn ihrer Rede zur konstituierenden Sitzung des Speyerer Ratsgremiums am Donnerstag. 14 Mitglieder des 44-köpfigen Stadtrats seien neu, 30 gehörten im schon bisher an."Populismus und Ideologisierung haben hier keinen Platz", machte Seiler unter dem tosenden Applaus der zahlreichen Besucher deutlich.

Sie stelle sich klar gegen Rassismus, Diskriminierung, Homophobie und Ausgrenzung jeglicher Art: "Antifaschismus ist in Speyer kein Schimpfwort sondern demokratische Verpflichtung."
Es gehe ausschließlich um die Stadt.
Seiler sprach sich gegen eine Blockbildung im Rat aus und appellierte daran, sich an den Sachthemen zu orientieren wie Klimaschutz, bezahlbares Wohnen, digitale Infrastruktur sowie die Konsolidierung des Haushalts.
Die Oberbürgermeisterin brach eine Lanze für die Verwaltung und deren Kompetenz.
Obwohl es zahlreiche Vorgaben gebe habe man auch einen Gestaltungsspielraum, den es zu nutzen gelte.
Einen großen Teil der Sitzung nahm die Vereidigung der Stadtratsmitglieder in Anspruch, den alle 44 wurden per Handschlag durch die Oberbürgermeisterin in das Gremium aufgenommen. Ansonsten wurde noch über Regularien gesprochen wie die Ausschussbesetzung, eine Redezeitbegrenzung, wobei die Entscheidung über die Geschäftsordnung auf Anregung Seilers auf die Augustsitzung vertagt wurde.
Claus Ableiter von der Bürgergemeinschaft Speyer kritisierte, dass eine Diskussion über den Industriehof im Ältestenrat falsch angesiedelt, ja illegal sei, denn das sei nicht seine Aufgabe.
Bei der Verabschiedung ausgeschiedenen Stadtratsmitglieder wurde Gustav Pade (SPD) für 35 Jahre Zugehörigkeit mit der silbernen Ehrenmedaille der Stadt ausgezeichnet. (ks/Foto: ks)


Rede von Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler zur 1. Sitzung des Stadtrates am Donnerstag, 27. Juni 2019:
Es gilt das gesprochene Wort. Unkorrigiertes Redemanuskript.
Sehr geehrte Ratsmitglieder!
Sehr geehrte Medienvertreterinnen und -vertreter!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich begrüße Sie alle sehr herzlich zur konstituierenden Sitzung des Speyerer Stadtrats. Nach der Wahl vom 26. Mai 2019 starten wir nun zusammen in die neue Legislaturperiode. Die letzte Wahl hat das Gesicht des Rates stark verändert und einige Überraschungen mit sich gebracht. Langjährige Mitglieder sind ausgeschieden, neue hinzugekommen.
All jenen möchte nochmals zu Ihrer Wahl gratulieren und Ihnen dafür danken, dass Sie bereit sind, Verantwortung für Speyer zu übernehmen und ehrenamtlich die Geschicke unserer Stadt mitzubestimmen.
30 Kolleginnen und Kollegen waren bereits in den vergangenen Jahren im Stadtrat vertreten, 14 wurden jetzt erstmals in dieses entscheidende Gremium unserer Stadt gewählt. Sie, liebe „Neue“, möchte ich herzlich im Speyerer Rat willkommen heißen und Ihnen im Namen aller versichern, dass Sie auf kollegiale Zusammenarbeit vertrauen können.
Ein besonderes Anliegen ist es mir, die ausgeschiedenen Ratsmitglieder zu begrüßen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen heute nochmals dafür danken, über Jahre zum Wohl unserer Stadt gewirkt zu haben.
Mit dem heutigen Tag, liebe Ratsmitglieder, beginnt wieder der Alltag kommunalpolitischen Handelns. Der Wahlkampf ist Vergangenheit, ab heute zählt die Konzentration auf die vor uns liegenden Aufgaben. Jetzt kommt es darauf an, das Vertrauen zu rechtfertigen, das die Wählerinnen und Wähler Ihnen mit ihrer Stimme gegeben haben. Ihnen, ja, allen Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt, sind wir verpflichtet.
Wir sind aufgerufen, Speyer weiter voranzubringen, für Lebensqualität zu sorgen, unterschiedliche Generationen und Interessen zu einen und den Standort zu stärken.
Als Oberbürgermeisterin möchte ich an dieser Stelle klar und deutlich machen, dass weder in diesem Gremium noch in unserer Stadt Populismus und Ideologisierung
einen Platz haben. Ich stelle mich ganz klar gegen jede Form der Diskriminierung, gegen Rassismus, Homophobie und andere Auswüchse von Ausgrenzung. Wir sind eine Stadt mit Courage und sehen Antifaschismus nicht als Schimpfwort sondern als demokratische Verpflichtung.
Liebe Ratsmitglieder, ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, auf weitere fünf Jahre gemeinsamen Wirkens. Mir liegt – wie viele von Ihnen bereits wissen – viel an einem offenen, vertrauensvollen Miteinander von Rat und Oberbürgermeisterin genauso wie von Rat und Verwaltung. Denn ich bin davon überzeugt, dass wir nur gemeinsam Speyer weiterentwickeln können und ich werde das Meine dafür tun, dass die Zusammenarbeit auf allen Ebenen gut funktioniert und Transparenz besteht.
Selbstverständlich werden nicht immer alle einer Meinung sein – immerhin sind im neuen Rat neun Parteien und Wählervereinigungen mit unterschiedlichen Zielen, Wertevorstellungen und Konzepten vertreten. Aber lebhafte Debatten, auf die ich hoffe, müssen auf sachlichen Grundlagen und einem respektvollen Umgang miteinander aufbauen.
Debatten sind kein Selbstzweck, sie dienen dazu, gute Beschlüsse auf den Weg zu bringen. Das ist unsere Aufgabe: zielführende Entscheidungen treffen, zukunftsfähige Projekte entwickeln und umsetzen.
In der Kommunalpolitik und im Rat geht es ums konkrete Handeln, es geht – und das möchte ich unterstreichen - ausschließlich um unsere Stadt und die darin lebenden Bürgerinnen und Bürger.
Wir, die in der Kommunalpolitik tätig sind, bilden das Fundament der Demokratie. Wir sind den demokratischen Spielregeln verpflichtet und der faire Wettstreit um die
besten Lösungen muss im politischen Meinungskampf unsere oberste Maxime sein.
Eine starre Blockbildung wird uns nicht voranbringen, davon bin ich überzeugt. Und: Sie wird auch den Menschen in Speyer und dem was Sie von uns erwarten nicht gerecht!
In diesem Zusammenhang möchte ich mit den Worten von Altoberbürgermeister Dr. Christian Roßkopf an Sie alle appellieren:
„Wieviel Kräfteverschleiß und Ärger könnten wir uns ersparen, wenn wir bereit wären, uns ohne kränkende Verletzungen mit konstruktiven Beiträgen auf die dringlich gebotenen Ziele zu konzentrieren! Das äußert sich bis in die Form der Debatte.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich lade Sie hierzu im Sinne unserer Stadt und Ihren Bürgerinnen und Bürger ein, um
vor Ort mehr Demokratie zu wagen.
Denn vor uns liegen große Herausforderungen.
Ich rede jetzt nicht nur von der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen, aber wir haben natürlich unseren Haushalt weiter zu konsolidieren. Und wir wollen, um die großen Linien zu skizzieren, mehr für Klimaschutz, Wohnraum und die digitale Infrastruktur tun. Auch der Bau unserer Feuerwache muss endlich zu einem
glücklichen Abschluss gebracht werden.
Um in den kommenden Jahren erfolgreich zu sein, sind viel Sachverstand und Kreativität, sind neue Ideen und Wege gefragt.
Liebe Ratsmitglieder,
Sie haben jetzt ein weites Feld vor sich, um Ihre Vorstellungen, Ihre Kenntnisse, Ihre Erfahrungen einzubringen und an guten Lösungen für unsere Stadt mitzuwirken.
Als Verwaltung wollen wir nach einer sehr konstruktiven Klausurtagung das Organigramm überarbeiten und im Sinne einer handlungsfähigen und modernen Struktur uns auf die nächsten Jahre vorbereiten. Um den Spagat zwischen hoheitlichen Aufgaben und öffentlichen Bürgerdiensten zu schaffen, machen wir uns auf den Weg zu einer agilen Verwaltung. Wir wollen projektbezogener und dezernatsübergreifender Denken, Zuständigkeiten klarer definieren.
Und weil ich eben weiß, von welch großem Wert die kompetenten und erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung sind, bitte ich Sie: Vergessen Sie bei allem politischen Debatten nicht, dass die Verwaltung kein
Warenhaus für Politikerinnen und Politiker sein soll. Personelle Besetzungen sollten nicht danach gehen, wer sich jetzt an der Reihe fühlt, sondern was das Beste für unsere Stadt ist.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vorneweg Herrn Müller, für Ihre hervorragende Arbeit danken – ohne Ihr Fachwissen, Ihre Geduld und Ihren unermüdlichen Einsatz wäre diese konstituierende Sitzung nicht zu realisieren. Vielen Dank!
Liebe Ratsmitglieder,
was wir uns immer wieder bewusst machen sollten: wir haben Gestaltungsmöglichkeiten – ungeachtet aller Vorgaben von Land, Bund und EU, ungeachtet globaler Entwicklungen und Verflechtungen, die Auswirkungen bis in kleinste Kommunen haben. Und ich denke, ich spreche für uns alle, wenn ich sage,dass wir unsere Gestaltungsspielräume nutzen können und wollen, ja sogar müssen.
Sicher braucht es dafür auch manchmal eine Portion Zuversicht. Probleme anzugehen und dafür das ein oder andere Mal auch dicke Bretter bohren zu müssen, das gehört nun einmal dazu. Doch sich der Kommunalpolitik zu verschreiben, ist
auch eine dankbare Aufgabe. Wir können etwas bewirken, wir agieren im eigenen Ort und sehen direkt, was wir erreicht haben.
Speyer, meine Damen und Herren, versteht sich als bürgernahe Kommune. Deshalb sehe ich es als weiteres wichtiges Ziel dieser Wahlperiode an, Bürgerbeteiligung und Transparenz weiter auszubauen und zu stärken. Dazu gehört, die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig und umfassend über alle anstehenden Planungen zu informieren und sie in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Denn sie sind es, die damit leben müssen, was Rat und Verwaltung für richtig befinden.
Die Bürgerinnen und Bürger fragen nicht nur immer stärker nach Mitwirkungsmöglichkeiten, sie entwickeln auch selbst konstruktive Vorschläge. Ich bin davon überzeugt, dass Bürgerbeteiligung ein guter Weg ist, die Menschen sowohl an ihren Wohnort zu binden als auch wieder mehr Interesse und Verständnis für Kommunalpolitik zu wecken.
Liebe Ratsmitglieder, wir wollen kein abgehobenes Handeln, sondern für und mit den Menschen in unserer Stadt für Speyer wirken.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen für die kommenden fünf Jahre eine glückliche Hand sowie Ihnen, liebe Ratsmitglieder, viel Erfolg und viel Freude am Engagement für unser schönes, weltoffenes und vielfältiges Speyer.
Vielen Dank!"