Von Klaus Stein
Es treibt mir die Zornesröte ins Gesicht wenn ich sehe, wie sich die Corona-Leugner bei ihren Demonstrationen beispielsweise am Samstag in Berlin aufführen. Etwa 2.000 Hardcore-Verschwörungstypen bundesweit, unterstützt von Aluhut Trägern, Impfgegnern und "Covidioten", hetzen, kräftig angeheizt durch Rechtsextreme aller Art, gegen eine diffuse "Elite", stacheln sich in geschlossenen Internet-Foren gegenseitig an.

Sie wiegeln andere auf, wollen angeblich die Freiheit verteidigen, so ihre Begründung, und halten die Corona-Pandemie für eine Erfindung der "Lügenpresse". Das ist schon sehr ignorant angesichts von bald 20 Millionen Infizierten und 700.000 Toten weltweit plus hoher Dunkelziffer. Auch in Speyer gibt es dieses Phänomen.
In Deutschland sind die Neuinfektionen ebenfalls wieder auf dem Niveau von Anfang Mai.
Es ist die Stunde der Hedonisten, die ihre an Genüssen orientierte egoistische Lebenseinstellung ausleben, koste es was es wolle - auch das Leben der Anderen. Gerechtfertigt wird das mit dem Recht auf persönliche Freiheit. Persönliche Freiheit ist in der Tat ein hohes Gut, aber sie endet immer dort, wo Mitmenschen durch deren Ausleben in Mitleidenschaft gezogen werden: "Handle äußerlich so, daß der freie Gebrauch deiner Willkür mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen könne", meinte schon der große Deutsche Philisoph Immanuel Kant im 18. Jahrhundert. Profaner aber sehr anschaulich drückte es der Amerikaner Oliver Wendell Holmes etwa Hundert Jahre später aus: "Das Recht, meine Faust zu schwingen, endet, wo die Nase des anderen Mannes beginnt."
Dieser falsch verstandene Freiheitsbegriff, auf den sich beispielsweise Impfverweigerer, Coroina-Leugner, Schutzmaskengegner und Partygänger berufen, lautstark sekundiert aus dem rechtsextremen Lager, ist die gleiche Haltung, mit der Unterdrücker ihr Recht auf Unterdrückung ableiten.
Ursprünglich war der Begriff der persönlichen Freiheit das Gegenkonzept zum Absolutismus, bei dem sich Herrscher die Freiheit nahmen, ihre Mitmenschen nach Belieben zu drangsalieren.
Heute berufen sich Milliardäre ebenfalls darauf, sind sie doch so etwas wie die Nachfolger der Feudalherren vergangener Zeiten. Auch das neoliberale Wirtschaftskonzept, das sich in den Industriestaaten mehr oder weniger durchgesetzt hat, postuliert maximale Freiheiten für die Wirtschaft zugunsten persönlicher Profite.
Allerdings sind ein hoher Prozentsatz des Deutschen einverstanden mit den Einschränkungen, wie aktuelle Umfragen zeigen. Sie sehen ein, dass es ihre Gesundheit und ihr Leben schützt. So auch ein Speyerer, der vor einigen aus einem Spanienurlaub zurück kehrte und sich testen lassen wollte. Das war für ihn gar nicht so einfach, denn die kostenlosen Tests an den Flughäfen gab es noch nicht und beim Hausarzt sollte er 150 Euro für einen Test hinblättern. Letztlich blieb er dann ungetestet.
Es hilft übrigens wenig, wenn die Bedienungen in den Cafés und Restaurants ihren Mundschutz unter der Nase haben, wie häufig zu beobachten ist. Das ist zwar irgendwie verständlich, schützt aber die Gäste nicht wirklich. (Foto: ks)