Die Einstellung aller forstlichen Maßnahmen im FFHGebiet Speyerer Wald wegen fehlender Verträglichkeitsprüfung fordern die Grünen in einer Medieninformation: "Ein Großteil des Stadtwaldes Speyer gehört zum Schutzgebietsnetz 'NATURA 2000'. Wenn erhebliche Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebietes nicht ausgeschlossen werden können, muss eine FFH-Ausnahmeprüfung durchgeführt werden.
Eine solche Ausnahmeprüfung ist uns derzeit nicht bekannt. In einem Präzedenzfall stellte das OVG Bautzen klar, dass mit der Ausnahme von begründeten Maßnahmen der Verkehrssicherung keine Baumfällungen ohne eine Verträglichkeitsprüfung nach Maßgabe der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH) durchgeführt werden dürfen. Breits vor dem Eingriff sind die örtlichen Umweltverbände an der Prüfung zu beteiligen", schreibt der Grüne Waldexperte Volker Ziesling in einem offenen Brief an die Aufsichtsbehörde. Und Ziesling weiter: "Dennoch werden im Stadtwald Speyer seit vielen Jahren intensive forstwirtschaftliche Maßnahmen mit Einsatz von vollautomatisierten Holzerntesystemen – ohne Verträglichkeitsprüfung- betrieben.
Wir fordern eine sofortige Einstellung und Aussetzung aller geplanten Holzerntemaßnahmen und begründen dies wie folgt:
1. FFH- Gebiet 6616-301 Speyerer Wald
Der Stadtwald Speyer gehört zum FFH-Gebiet 6616-301 Speyerer Wald und Haßlocher Wald. Schwarzspecht, Ziegenmelker und Grauspecht sowie mehrere Fledermausarten sind regelmäßige Bewohner der lückigen Waldbereiche. Die Speyerer Dünenlandschaft gehört zu den charakteristischen Binnendünen der Oberrheinniederung. Sie beherbergen eine Vielzahl spezifischer Sandrasenfluren, wie zum Beispiel die Silbergrasflur. Diese Sandrasen werden von zahlreichen hochgradig spezialisierten Tier- und Pflanzenarten bewohnt. So ist hier noch die Kreiselwespe (Bembix rostrata) anzutreffen, die in Rheinland-Pfalz nur sehr wenige weitere Vorkommen hat.
Auch die Dünen-Ameisenjungfer (Myrmeleon bore) hat sich auf die lückigen Silbergrasfluren spezialisiert. Eine Fülle anderer seltener und gefährdeter Wespen- und Wildbienenarten sowie über 670 Schmetterlingsarten sind hier beheimatet. Auch stark gefährdete Heuschreckenarten wie die Grüne Strandschrecke (Aiolopus thalassinus), der Rotleibige Grashüpfer (Omocestus haemorrhoidalis) und die Gefleckte Keulenschrecke (Myrmeleotettix maculatus) gehören zu den Bewohnern.
Innerhalb der Waldgebiete und Niederungen des Speyerbachschwemmkegels befinden sich einzelne, zerstreut liegende Stillgewässer. Sie haben eine wichtige Lebensraumfunktion für Libellen wie das Kleine Granatauge (Erythromma viridulum), die Südliche Mosaikjungfer (Aeshna affinis), die Keilfleck-Mosaikjungfer (Aeshna isoceles) und die Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus).
Das gleiche gilt für die Amphibien Knoblauchkröte, Spring-, Moor- und Laubfrosch. Sogar der Kamm-Molch ist hier noch häufig anzutreffen. In einigen Tümpeln auf dem Standortübungsplatz westlich von Speyer wurde der Blattfußkrebs (Branchipus schaefferi) festgestellt. Diese äußerst seltene Art galt bis zu ihrer Entdeckung in Deutschland als ausgestorben bzw. verschollen.
Innerhalb der vorzufindenden Lebensraumtypen wurden Arten der Anlage II nachgewiesen, die unter besonderem Schutz stehen:
Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii)
Gelbbauchunke (Bombina variegata)
Kamm-Molch (Triturus cristatus)
Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis)
Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous)
Großer Feuerfalter (Lycaena dispar)
Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea teleius)
Grünes Besenmoos (Dicranum viride)
Sumpf-Siegwurz (Gladiolus palustris)
Auf Anhang II der FFH-Richtlinie sind "Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen", aufgelistet.
2. Grundsatzurteil des OVG Bautzen zu forstwirtschaftlichen Maßnahmen in Natura 2000 Gebieten
Unsere Beschwerde gründen wir auf ein Grundsatzurteil des OVG Bautzen, das für forstwirtschaftliche Maßnahmen in Natura 2000 Gebieten grundsätzliche Bedeutung für die Waldbewirtschaftung 1 Vgl. Steckbrief zum FFH-Gebiet 6616-301, Rheinland-Pfalz, Landschaftsinformationssystem der Naturschutzverwaltung in Deutschland und auch für die Stadtwald Speyer hat.2 Wie das Gericht betont, darf die forstwirtschaftliche Planung nicht durchgeführt werden, solange nicht im Wege einer Verträglichkeitsprüfung geklärt wird, ob die Baumfällungen auf geschützte Arten und Lebensräume erhebliche Auswirkungen haben. Damit steht auch fest, dass die beklagte Stadt diese Verträglichkeitsuntersuchung nicht einfach mit dem Argument umgehen kann, dass diese Baumfällungen dem Erhalt des Stadtwaldes dienen. Infolge dieser Entscheidung darf die Stadt innerhalb des weiträumig geschützten Leipziger Auwaldes von einigen Maßnahmen der Verkehrssicherung abgesehen keine Fällungen mehr durchführen, bevor sie nicht eine Verträglichkeitsuntersuchung nach Maßgabe der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie) durchführt. Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist ausgeschlossen.
Das Urteil ist ein Präzedenzfall und besitzt auch für die Stadt Speyer hohe Relevanz. Auch in Speyer gilt die Bedingung, dass für "jedwede Eingriffe eine Natura -2000 Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss." Der in Deutschland und in der Stadt Speyer gängigen Praxis, dass Forstverwaltungen auch in Schutzgebieten nach Gutdünken abholzen dürfen, ist demnach ein Riegel vorgeschoben. So wurden, wie auch überall sonst in Deutschland, alte Laubwaldbestände "gepflegt" und "aufgelichtet" um die "Naturverjüngung zu fördern". Diese Begriffe aus der Forstwirtschaft beschreiben letztlich einen Kahlschlag auf Raten, der in der Regel mit der Verzögerung einiger Jahre zu einem Zusammenbrechen des Waldes führt und im besten Falle einen sehr jungen Wald mit höchstens noch einigen stark geschädigten Baumveteranen hinterlässt. Zudem wurde im Urteil betont, dass – entgegen der Auffassung der Stadt Leipzig – bereits in einer Vorprüfung zur naturschutzfachlichen Verträglichkeit der geplanten Maßnahmen die Verbände einzubeziehen seien.
3. Konsequenzen
Wir fordern es zu unterlassen, den Forstwirtschaftsplan 2021 der Stadt Speyer zu vollziehen und alle Maßnahmen, die den Forstwirtschaftsplan 2020 betreffen, ohne Verzug einzustellen. Für die weiteren forstlichen Vorhaben der Folgejahre ist eine FFH- Verträglichkeitsprüfung unter Einbeziehung der Umweltverbände durchzuführen. Mit Ausnahme von Verkehrssicherungsmaßnahmen sind alle forstlichen Maßnahmen, auch über die Holzerntemaßnahmen hinaus, einzustellen, die gegen ein Verschlechterungsgebot des FFH – Gebietes verstoßen könnten."