Von Klaus Stein
Gibt es ein generelles Problem mit Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus bei der Polizei oder sind es nur Einzelfälle? Dieser Frage ging die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) im Bistum Speyer in einer Online-Veranstaltung zum Thema "Zu viele Einzelfälle – Über die Problematik rassistischer und rechtsextremer Haltungen in der Polizei" nach.

Der Referent Christoph Kopke, Professor für Politikwissenschaft und Soziologie an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, konnte letztlich die Frage nach einem systembedingten Rechtsextremismus bei den Sicherheitsbehörden nicht klar beantworten: Ja, es gebe zu viele Fälle, aber es sei alles sehr kompliziert und "DIE" Polizei gebe es nicht.
Zu Beginn hatte Ingo Faus, Leiter des KEB, an die Vorgänge um die rechtsextreme Terrorgruppe NSU erinnert. Da sei lange nicht Richtung Rechtsextremismus ermittelt worden, trotz deutlicher Hinweise. Lange gingen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass es sich um Straftaten aus dem Drogenmilieu oder sonstigen kriminellen Aktivitäten im Umfeld der Opfer handelt, die aus Zuwandererfamilien kamen nach dem Denkmuster: Zuwanderer gleich kriminell.
Drohmails an Politiker*innen, unterzeichnet mit "NSU 2.0", die nach Ermittlungen aus Polizeikreisen kamen, setzen dieses Fehlverhalten fort, das in zahlreichen Untersuchungsausschüssen zweifelsfrei konstatiert worden sei, so Faus. Auch "Racial Profiling", bei dem Menschen nach ihrem Aussehen oder ihrer ethnischen Herkunft kategorisiert und beispielsweise überdurchschnittlich oft kontrolliert werden, sei nicht nur in den USA an der Tagesordnung: "Die Politik hat lange nicht sehen wollen, dass es ein Rassismusproblem bei der Polizei gibt."
Christoph Kopke bestätigte weitgehend die Aussagen von Faus. Zwar seien die meisten Polizist*innen demokratisch gesinnt, es gebe aber eine Reihe von Fällen, in denen die Beamt*innen überfordert seien mit dem polizeilichen Alltag, negative Erfahrungen machten und anfällig seien für Rechtsextremismus. Das traf vor allem auf die Sicherheitskräfte der ehemaligen DDR zu, die nach der Vereinigung mit einem neuen Weltbild zurechtkommen mussten.
Fälle von fremdenfeindlicher Gewalt durch die Polizei fief in den 1990er Jahren Politik und Wissenschaft auf den Plan, so Kopke. Es sei hingeschaut worden, warum das so ist.
Dr, Wolfgang Schulte, Dozent im Fachgebiet Allgemeine Polizeiwissenschaft an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, habe Thesen aufgestellt, wie das Problem bei der Polizei und in der Politik vielfach eingeschätzt wird:
- Es seien Einzelfälle oder "Schwarze Schafe"
- Fremdenfeindlichkeit werde relativiert
- Die Polizei sei das Spielgelbind der Gesellschaft
- Das Thema werde von den Medien aufgebauscht
So relativierte ein Dozent an der rheinland-pfälzischen Polizeihochschule das Problem damit, dass es Rechtsextremismus ja auch bei Müllkutschern gebe und da rege sich niemand darüber auf. "Wir müssen bei Polizist*innen andere Maßstäbe anlegen als bei Müllkutschern, denn die sollen ja die Menschenrechte verteidigen und nicht verletzen", so der der Experte.
Über die Ursache, warum es immer wieder rechtsextreme Vorfälle und fremdenfeindliche Übergriffe gebe, ob die Beamt*innen schon mit solcher Einstellung zur Polizei gegangen seien oder ob sie sich durch mangende kulturelle Kompetenz in bestimmten Situationen nicht zurecht finden würden und des fremdenfeindliche Haltung entwickelten, sei unklar.
Sicherlich gebe es bei einem Teil der Polizeibewerber*innen eine Affinität zu Waffen und "Recht und Ordnung" Denken. Das treffe auch für die Bundeswehr zu. Die überwiegende Mehrheit der bei den Sicherheitsbehörden beschäftigten hätten aber wegen eines sicheren Arbeitsplatzes, der interessanten Aufgabe sowie des immer noch hohen Ansehens in der Bevölkerung den Beruf ergriffen.
Die Politiker*innen haben das Problem erkannt und bei der Aus- und Weiterbildung darauf reagiert, wusste Kopke.
"Es wäre wichtig, wenn die Polizei angesichts des schwindenden Vertrauens alles vorbehaltlos aufarbeitet, sich der Problematik stellt und nicht in einer Wagenburgmentalität verharrt", so das Fazit des Referenten.