Von Klaus Stein
Zu Beginn der letzten Ratssitzung 2022, bei der traditionell die Fraktionen Stellung nehmen zum Haushalt für das kommende Jahr, verkündete Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler, dass nachgearbeitet und eine Million Euro zusätzlich eingespart wurde. Trotzdem sei das Zahlenwerk mit heißer Nadel gestrickt und es brauche ein gehörig Maß an Optimismus, so der Tenor in allen Reden.

Durch den "Schwund" bei der CDU wurde die SPD zur größten Ratsfraktion. Deshalb durfte erstmals seit Jahrzehnten deren Vorsitzender, Philipp Brandenburger, als Erster ans Rednerpult.

SPD
Den ausgeglichenen Haushalt von über 200 Millionen Euro, bei dem noch eine Million mehr eingespart wurde, bezeichnete der Sozialdemokrat als "Großer Erfolg". Trotzdem sei die Finanzlage weiter angespannt. Es gebe keine ausreichende Finanzierung für der Stadt von Land und Bund übertragene Aufgaben.
Am Beispiel der Zukunft des Stiftungskrankenhauses machte Brandenburger klar, wie er sich Entscheidungsprozesse zukünftig vorstellt: Die Bürger*innen sollen mit einbezogen werden. In einem wohl mehrere Jahre andauernden Verfahren könne am Ende eine Art "Gesundheitszentrum" stehen.
Beim Verkehr forderte er eine weitere Rheinbrücke in der Region.

CDU
"Unser Land befindet sich weiter im Krisenmodus." Im Haushalt hätten diese Krisen noch keine Spuren hinterlassen, befand Dr. Axel Wilke, Vorsitzender der CDU-Fraktion. Er nannte eine reihe von für die CDU wichtigen Zukunftsfragen, beispielsweise Klimaschutz. Er forderte die Fortschreibung den Klimaschutzprogramms. Strom und Wärme müssten möglichst schnell CO2-Neutral werden. Auch sah er Einsparpotenzial bei städtischen Gebäuden.
Die Innenstadt müsse grüner werden und den Verkehrsversuch in der Gilgenstraße habe die Unterstützung seiner Fraktion.
Das Projekt "Gemeinschaftliches Wohnen" müsse endlich in die Gänge kommen. Wilke sprach sich für die Pläne von privaten Investoren zur Kirche St. Ludwig aus und lobte die Landeskirche, die Heiliggeistkirche einer Nutzung zuzuführen.

Grüne
Hannah Heller (Grüne) musste ihre "Theaterstimme" auspacken, um gehört zu werden. "Ich habe überlegt, ob ich mich ans Rednerpult kleben sollte", meinte sie und bezog sich auf Medienberichte. Sie bekundete Verständnis für die Menschen, deren Geduld am Ende sei angesichts eines "weiter so" trotz Klimakatastrophe. Heller malte die Zukunft in düsteren Farben. Bereits jetzt seien die Auswirkungen des Klimawandels auch in Speyer zu spüren.
In Speyer verspüre sie allerdings so etwas wie Aufbruchstimmung. Es gehe in erster Linie darum, die Klimawandelfolgen zu bewältigen, damit die Stadt auch in den Sommermonaten bewohnbar bleibe. Speyer müsse nicht nur grüner werden, das bestehende Grün sei auch zu schützen. Dazu gehöre der Wald, den man am besten sich selbst überlasse, damit er sich regeneriere. So könne auch das Defizit beim Stadtwald von jährlich 270.000 Euro deutlich reduziert werden. Die Grünen-Sprecherin forderte schnelles und konsequentes Handeln. Auch müssten alle Investitionen auf ihre Klimaschädlichkeit überprüft werden. Dem Flächenfraß müsse ein Ende bereitet werden, Entsiegelung sei angesagt.
Soziales Bauen scheitere nicht an der Begrünung sondern an den durch Spekulation hohen Grundstückspreisen.

"Unabhängig - für Speyer!"
Gespannt durfte man sein auf die erste Haushaltsrede von Rosemarie Keller-Mehlem, der Vorsitzenden der neuen Stadtratsfraktion "Unabhängig - für Speyer!". Sie war im Sommer 2022 aus einer Abspaltung der CDU hervorgegangen. Sowohl Keller-Mehlem als auch ihre Ratskollegin Dr. Maria Montero-Muth sind sehr erfahren in der Kommunalpolitik. Trotzdem beschränkte sich Keller-Mehlem in ihrer Rede auch ein Kernthema: Die gesunde Stadt. Darunter sei ein integriertes Handlungskonzept zu sehen, das von der "Wiege bis zur Bahre" reiche. In der Folge erläuterte sie, was darunter zu verstehen sei.
Allerdings sehe sie trotz Rekordhaushalt und einem Plus keine Luft für zukunftsweisende Projekte.

Die Linke
"Es wird kalt!" Dieser Satz zog sich wie ein roter Faden durch die Rede des Fraktionsvorsitzenden von "Die Linke" Aurel Popescu. Er meinte das in vielfacher Hinsicht, bezogen auf den Krieg in der Ukraine, den Energiepreisen oder auf die soziale Kälte. Allerdings sei Speyer einmal mehr ein sicherer Hafen für Kriegsflüchtlinge. Die Domstädter hätten zusammengestanden und geholfen: "Das ist halt unsere Speyerer DNA."
Als "Perversion des Kapitalismus bezeichnete" Popescu die Argumentation, mit der die CDU im Bundesrat die Einführung des Bürgergelds blockieren wollte, weil angeblich niemand mehr arbeite. Er wies darauf hin, dass in den letzten Jahren allein durch Immobiliengeschäfte drei Billionen (das sind 3.000 Milliarden) von unten nach oben umverteilt wurde.
Ganz oben auf der Agenda der Stadt müsse der Klimaschutz stehen. Projekte wie der Postplatz, mit dessen Umgestaltung die "Totgeburt Postgalerie" gerettet werden soll oder die Kirchs St. Ludwig, bei der ein innerstädtisches Grün einer Eventkonzept mit Biergarten weichen soll - das gehe besser.
"Egal was man glaubt, ein Lächeln und freundliche Worte in der Adventszeit wärmt die Seele."

FDP
Viel Zeit für seine Ausführungen nahm sich FDP-Sprecher Mike Oehlmann. Er sprach von "fragiler Normalität" in Zeiten von Krieg und Pandemie. Obwohl ausgeglichen, verlagere der vorgelegte Aushalt viele Probleme in die Zukunft.
Eine Schlüsselrolle für die Zukunft der Stadt nehme die Wirtschaftsförderung ein. Insgesamt müsse Speyer Unternehmensfreundlicher werde, so der FDP-Mann. Wie seine Vorredner kritisierte er die der Stadt auferlegten steigenden Sozialausgaben, für die es keinen entsprechenden finanziellen Ausgleich gebe. Auch sprach er sich gegen eine flächendeckende Denkmalzone aus.

Speyerer Wählergruppe
Zentrales Thema war bei Dr. Sarah Mang-Schäfer, Fraktionsvorsitzende der Speyerer Wählergruppe (SWG) die Parkraumsituation. Das geplante Parkraum-Bewirtschaftungskonzept gehe in die richtige Richtung. Um Autoverkehr zu vermeiden, müsse der öffentliche Personennahverkehr den Menschen nahe gebracht werden, beispielsweise durch Schnupperangebote.
Wie in der Vergangenheit auch, sprach sie sich für eine bessere Forderung von Handel und Gewerbe aus.
Sie lobte den ausgeglichenen Haushalt und kündigte Zustimmung der SWG an.