Von Klaus Stein
Die Gedenkveranstaltung des DGB zu den Pogromen gegen die Juden am 9. November 1938, von den Nazis als "Reichskristallnacht" verhöhnt, da die Straßen übersät mit Glassplittern aus eingeworfenen Fensterscheiben an jüdischen Geschäfts- und Wohnhäusern, stand ganz im Zeichen der aktuellen Geschehnisse in Israel.

Viele Juden fühlen sich durch die unfassbar grausame und menschenverachtende Bluttat der Terrororganisation "Hamas" an eben diese Pogrome erinnert.
Auch die Redner gingen auf die Situation im Nahen Osten ein, verurteilten den Hamas-Terror und zeigten sich solidarisch mit den Israeli. Allerdings wurde auch das Leid und die Not der Palästinenser thematisiert, das infolge der Reaktion Israels im Gaza-Streifen herrscht.
"Es beschämt mich, dass sich Juden, 85 Jahre nach den Pogromen, in Speyer nicht mehr sicher fühlen", sagte Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler. Sie werde alles dafür tun, dass die jüdischen Mitbürger*innen in der Domstadt sicher sind, bekräftigte sie. Der menschenverachtende Antisemitismus, von welcher Seite er auch komme, habe in Speyer keinen Platz.
Die Politik sei auf dem rechten Auge lange Zeit blind gewesen, meinte DGB-Vorsitzender Axel Elfert. Er erinnerte an ein Treffen von rechtsextremen in Speyer. Es sei hoch hergegangen in Gasthaus "Stadt Nürnberg", den heutigen Philipp I. Antisemitische Parolen und seien zu hören gewesen und verbotene NS-Symbole gezeigt worden. Bei der Protestdemo sei außer Bernd Rückwardt kein weiterer Speyerer Kommunalpolitiker dabei gewesen.
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Die Polizei habe aber dem Spuk ein schnelles Ende gesetzt, so Elfert.
"Bereits seit dem Kaiserreich habe es antisemitische Gruppierungen in der Politik gegeben, sei Antisemitismus in der Gesellschaft weit verbreitet gewesen. Das habe sich in der Weimarer Republik fortgesetzt und auch bei der Geburt der Bundesrepublik hatte es eine rechtsextreme Partei in den Bundestag geschafft", wusste der Historiker Dr. Klaus Jürgen Becker, stellvertretender Leiter des Stadtarchivs Ludwigshafen. Der Holocaust sei die brutale Ausrottung der seit Jahrhunderten in Deutschland existierenden jüdischen Kultur gewesen.
Bereits am Sammelpunkt zum Schweigemarsch, dem Georgsbrunnen, hatte Sabrina Albers an das Schicksal Speyerer jüdischer Familien wie die von Franz Mühlhauser erinnert, der selbst zwar nach Israel fliehen konnte, ein Teil seiner Familie allerdings im Lager Gurs landete.
Seine Nachkommen, die derzeit immer wieder in Bunkern Schutz suchen müssen vor den Hamas-Raketen, zeigten sich besorgt über den weltweit zutage tretenden Antisemitismus, wusste Albers.
Anders als in den Vorjahren, beteiligten sich keine Mitglieder der jüdischen Gemeinde an der Gedenkveranstaltung. "Das ist eure Veranstaltung", hätten sie ihr Fernbleiben 231112 progrom03
begründet, so Elfert aus Nachfrage. Auch einer Mahnwache an der Synagoge hätten sie eine Absage erteilt.
Musikalisch begleitete der Chor "Rote Raben" die Veranstaltung. (Fotos: ks)