Von Klaus Stein
Kurz vor Weihnachten laufen die Fraktionen des Stadtrats zu großer Form auf, denn ihre Stellungnahmen zum vorgelegten Haushalt ist ihre Stunde (es wurden 7 Stunden), mit der Stadtpolitik ins Gericht zu gehen, neue Ideen einzubringen und eigene Akzente zu setzen. Aber wie so oft gab es Licht und Schatten.

Vor allem die großen Faktionen von SPD und CDU leierten, bereits im Wahlkampfmodus, ihre altbekannten Gemeinplätze herunter. Zwar erkannte Philipp Brandenburger (SPD), dass es an guten Politikansäten nicht fehle, aber es mangele an deren Umsetzung. Da kann man ihm nur zustimmen, aber die SPD hat es in der Hand, zu gestalten, ist die größte Fraktion und stellt  auch die Oberbürgermeisterin. Im Zweifelsfall verhindert sie aber, gemeinsam mit der CDU, beispielsweise einen Prüfantrag zur Umgestaltung des Königsplatzes, was ein wichtiger Schritt zur Verkehrswende gewesen wäre. Auch bei der Neuerrichtung des Viadukts, das wahrscheinlich 5 Millionen Euro kosten wird und dabei nicht einmal barrierefrei sein wird, also für die schwächsten im Verkehr, Alte und Behinderte, nicht benutzbar ist (es ist zu steil), obwohl es sowohl den bautechnischen Vorschriften widerspricht als auch der von der Stadt unterschrieben "Barcelona-Erklärung, womit sie sich verpflichtet, für Inklusion und Barrierefreiheit einzutreten, stimmt sie mit der CDU.
Beinahe unerträglich war der heruntergeleierte Vortrag von Johannes Kabs (CDU), bei dem man den Eindruck hatte, dass sogar seine hinter ihm sitzende Mutter Mühe hatte, wach zu bleiben. Wo ist die CDU geblieben, die mit einem Fraktionsvorsitzenden Gottfried Jung die Eckpunkte einer modernen Kommunalpolitik setzte, die Konservativismus mutid mit Umweltschutz versöhnte. Übriggeblieben ist nur derkonservative Teil mit altbekannter Klientelpolitik einschließlich dem Verhindern wollen von zukunftsweisender Kommunalpolitik und Selbstbeweihräucherung.
Engagiert und emphatisch, das war der Beitrag von Hanna Heller (Grüne). Sie lief in ihrer wohl letzten Haushaltrede - sie hat angekündigt, nach der Kommunalwahl 2024 dieses Amt nicht mehr ausüben zu wollen - zu großer Form auf. In vielen Bereichen gebe es zwar gute Absichten, aber bei der Umsetzung komme man oft nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Beispielsweise bei der Verkehrspolitik und der Verkehrswende weg vom Auto sei man über marginale Ansätze nicht hinaus gekommen. So sei Speyer wegen des Autoverkehrs die Stadt in Deutschland mit dem meisten Feinstaub. Auch beim Klimaschutz gebe es Lippenbekenntnisse aber wenig Fortschritte.
Es war ihre zweite Haushaltrede, nachdem Rosemarie Keller-Mehlem gemeinsam mit Dr. Maria Montero-Muth aus der CDU ausgetreten und eine eigene Fraktion "Unabhängig für SpeyerH (UfS) gegründet hat. Sie hat es geschafft, in allen wichtigen Zukunftsfragen eindeutig Position zu beziehen. Bekanntermaßen setzen sich die beiden Frauen schon seit Jahren für eine gesunde Stadt ein. Dazu gehöre eine intakte Umwelt mit viel Grün gegen die steigenden Temperaturen.
Aber auch gute Bildungschancen für nachkommende Generationen, eine gute Infrastruktur an Bildungs- und Gesundheitsangeboten. Die Digitalisierung sei eine Schlüsselfunktion für die Zukunft von Städten und Regionen, auch für die Stadt Speyer, so Keller-Mehlem.
Wenig Neues hatte hingegen Sarah Mang (SWG) vorzubringen. Skepsis bei Verkehrswende und das altbekannte Eintreten für das innerstädtische Gewerbe, gepaart mit sozialer Kälte.
Ganz anders Aurel Popescu (Die Linke). Seine Fraktion ist in den letzten zwei Jahren ein Motor für zukunftsweisende Politik im Stadtrat. Obwohl nur zwei Personen, haben die Linke dank eines funktionierenden Teams zahlreiche Anträge eingebracht und den Finger in Wunden gelegt, oft mit Erfolg. Als herausragender Redner zog Popescu die Ratsmitglieder in seinen Bann, trotz teil harscher Kritik, denen am Schluss versöhnliche Worte folgten.
Wie gewohnt hatte die Rechten von AfD und Herr Schneider wenig Konstruktives zur Stadtpolitik beizutragen.
Ganz anders Claus Ableiter, ebenfalls ein Lichtblick in einem Stadtrat, von dem ein Prominenter Speyerer sagt, es sei der Schwächste nach dem Krieg. Diesem Urteil kann ich mich als jahrzehntelanger Begleiter der Stadtpolitik nur anschließen. Ableiter macht Kommunalpolitik mit Herz und Verstand, hat im Gegensatz zu vielen seiner Kolleg*innen den Durchblick bei Sachfragen.
Der Höhepunkt in den letzten Jahrzehnten war die Rede des ehemaligen Grünen Volker Ziesling. "Das Überleben der Menschheit hängt nicht ab von Aktienpaketen, schicken Autos oder Glaspalästen, auch nicht von einem neuen Besucherzentrum in Speyer, möglichst vielen Tagestouristen oder einem runderneuerten Viadukt über die Bahngleise, und auch nicht von einem dicken Haushaltsplan. Es hängt an den 20 oder 30 Zentimetern der obersten Bodenschicht auf die gelegentlich einige Tropfen Wasser fallen müssen“, bringt er es gleich zu Beginn seiner Rede auf den Punkt. Er erinnerte an eine Metapher von Aurel Popescus letztjähriger Rede: "Es ist kalt in Deutschland“ war seine mehrfach gebrauchte Aussage in Bezug auf das soziale und gesellschaftliche Klima im Land und in der Stadt. "Dem kann ich vollumfänglich zustimmen und muss ergänzen: "Es wird heiß in Deutschland, es wird staubig und trocken und es wird leise ohne Insekten.“ Es werde besonders heiß in Speyer, einem Hotspot der Klimakatastrophe. Er verwies auf das Artensterben, den dramatischen Rückgang der Artenvielfalt.
"Wir schmücken uns gerne und öffentlichkeitswirksam mit unseren vermeintlichen Leistungen für Natur und Umwelt, mit immer neuen Broschüren, Umweltpreisen und Logos, vernichten aber wie selbstverständlich die Grundlagen unseres Überlebens. Show scheint wichtiger zu werden als eine wirksame Politik im Sinne unserer nachfolgenden Generation“, so Ziesling und fragt: "Wieviel ist genug?“ Braucht es wirklich eine neue Güterverkehrstrasse um den Preis massiver Einschnitte in Naturschutzgebiete? Der ökologische Fußabdruck des Vorhabens übertreffe alles, was in der Region bisher stattfand. Eine ökologische Transformation könne nicht gelingen, ohne diese durch eine soziale Transformation zu flankieren!
Naturgesetze seien nicht verhandelbar, vor keinem Gericht der Welt. Physikalische, chemische und biologische Prozesse finden statt, unabhängig davon, dass wir diese Prozesse kennen, ignorieren oder diese gar verleugnen, machte er in einer Replik auf das Ratsmitglied Schneider deutlich. Das treffe auch auf den Wald zu. Dem gehe es insgesamt schlecht und dem Speyerer Stadtwald gehe es besonders schlecht. "Es wird der Eindruck vermittelt, als könnte man dem Wald durch 'Pflege' und 'Waldumbau' schon wieder auf die Beine helfen. Es ist wie in der Humanmedizin: Einen kranken Patienten versucht man nicht zu Höchstleistungen anzutreiben, sondern verordnet Ruhe.“
In diesem Zusammenhang kritisierte er die Beigeordnete Münch-Weinmann (Grüne), die sich von mehreren Seiten Kritik gefallen lassen musste. Sie habe noch vor 4 Jahren die Waldwende im Speyerer Stadtwald einleiten wollen, es zum Kernthema ihres Wahlkampfes gemacht. Jetzt, das sie die Verantwortung habe, sei davon nichts übrig geblieben.