"Hilfeschrei und Protest als Vorwand genutzt, im Kern von Sozialbürgermeisterin Monika Kabs, um den eigentlichen Träger der Hilfe aus dem Gebäude rauszuwerfen und so das ehrenamtliche Projekt zu zerstören." Solch deutliche Worte findet des Stadtat Claus Ableiter (FW) zum möglichen Ende des Hilfsprojekts SAS für Obdachlose Menschen.
Er spart aber auch nich mit Selbstkritik. Hier sein Leserbrief: "Seit vielen Jahren beobachte ich in Speyer auf dem Weg zur Arbeit an vielen Tagen tief im Gebüsch am Rande einer viel befahrenen Straße ein Zweimannzelt. Das die allermeisten Menschen nicht bemerken. Mittags ist es fast immer weg. Immer wenn es regnet, im Herbst und Winter jeden Tag, denke ich dann, selbst kommend aus einem trockenen warmen Haus mit Bad und Küche, ausgeschlafen in einem bequemen Bett, frisch geduscht, angezogen mit sauberen Kleidern, einen leckeren Kaffee getrunken, daran, wie hart ist das Leben dieses Mannes, wenn er es Nacht für Nacht in diesem Zweimann-Zelt verbringen muss.
Und ich dachte immer, es wäre schön, wenn jemand in Speyer diesem und den anderen etwa 37 obdachlosen Menschen respektvoll Hilfe anbieten würde. Und auch Möglichkeiten aufzeigen würde, aus diesem Leben wieder heraus zu kommen.
Ich selbst habe das aber nicht getan, in all den Jahren.
Anders der aus dem Raum Kaiserslautern stammende Stefan Wagner, der mit Frau und sechsjährigem Sohn in Schifferstadt lebt. Wie ich hatte er Eltern, die neben ihrer Arbeit für Beruf und Familie immer sehr viel im Ehrenamt gearbeitet haben. Und wie ich war er früher in einer großen Partei politisch engagiert, nur in einer anderen, nämlich der SPD, die er dann wegen Hartz-IV verlassen hat.
Stefan Wagner geriet auf seinem Lebensweg in eine gravierende persönliche Krise, die ihn selbst nahe an die Obdachlosigkeit brachte. Er bekam aber rechtzeitig die Kurve und alles normalisierte sich. Diese Erfahrung führte dazu, als er später überlegte, wofür er sich engagieren wollte, dass er den Entschluss fasste, das persönlich und direkt für obdachlose Menschen zu tun.
Das ganze startete damit, dass er im Winter mit einem alten Transporter die Plätze in Speyer aufsuchte, wo sich die Obdachlosen in der Nacht verstecken, damit sie nicht noch zum Opfer von Gewalt werden. Und er ihnen Isomatten, Schlafsäcke, Decken und warme Getränke anbot, auch anbot, sie zu Notunterkünften zu bringen.
Meine Beobachtung: Wie manche Kinder von aktiven Ehrenamtlern hat sich Stefan Wagner von diesen abgeschaut, dass man, wenn man etwas wirksam, tun will, andere ansprechen und um Hilfe bitten muss. Und dass viele Menschen gerne helfen, teils mit Zeit und Arbeit, teils mit Geld und Gut, aber jemand brauchen, der das organisiert und einen Rahmen schafft. Ohne Organisation und Menschenführung funktioniert so etwas nicht.
Schon damals haben ihm Menschen geholfen und konnten sehen, dass diese Hilfe wirklich in konkreter Not hilft, Menschen unterkühlt sind und elend leiden, es ihnen mit besserer Ausstattung auf einer elementaren Stufe besser geht. Davon hatte ich gehört, ohne ihn kennen zu lernen, und freute mich.
Stefan Wagner sah einerseits diese Hilfsbereitschaft, andererseits eben auch das Elend, das diese Leute in diesen Lebensumständen auch ohne Winterkälte erleiden, was Hygiene und Körperpflege, Ernährung und Gesundheit angeht, Nöte wie Hautkrankheiten und Zahnschmerzen, Einsamkeit und Isolation, Süchte, auch die mitgeschleppten seelischen Verletzungen, oft von Kindheit an, und vielfache Erfahrungen des Scheiterns.
Und so beschloss er, über den „Kältebus“ hinaus, eine ganzjährige ehrenamtliche Unterstützung für obdachlose Menschen zu organisieren. Um das möglichst sinnvoll und wirksam zu tun, schaute er sich mehrere bereits erfolgreiche Initiativen in anderen Städten an, und mischte aus guten Erfahrungen anderswo ein Konzept zusammen, das er so etwa ab 2009 Soziale Anlaufstelle Speyer nannte und für das er bis heute insgesamt 15 Ehrenamtliche gewann, die regelmäßig aktiv helfen und Spender die das Hilfsmaterial oder Geld hierfür bereitstellen.
Die von Stefan Wagner geleitete SAS ist weder ein Verein noch eine gemeinnützige GmbH, sondern ein einfacher Zusammenschluss von Menschen, die die genannten Ziele als einfache Gemeinschaft von Menschen verfolgen, juristisch gesehen eine sogenannte BGB-Gesellschaft.
Das Ziel der SAS schon auf Basis seiner eigenen Erfahrung ist breiter formuliert als nur „Hilfe für obdachlose Menschen“, weil er und seine Mitstreiter möchten, dass Menschen bereits geholfen wird, bevor sie überhaupt in die völlige Obdachlosigkeit geraten. Etwa wohnungslose Menschen, die noch bei Freunden auf der Couch übernachten dürfen oder in städtische Notunterkünfte eingewiesen sind und deren soziale Strukturen sich schon weitgehend oder ganz aufgelöst haben. Zielgruppe sind daher abstrakt alle von Armut bedrohte und betroffene Menschen.
Basis ist die Wertschätzung für diese Menschen: „Jeder Mensch ist einzigartig und verdient es, dass man ihn als Individuum mit seiner unverwechselbaren Persönlichkeit und Würde wahrnimmt.“
Das Ziel: „Die SAS möchte einen Beitrag leisten, dass alle Menschen ihr Leben selbstbestimmt und und in Würde gestalten können.“
Im Kern war und ist die konkrete Hilfe der SAS gleichwohl auf obdachlose Menschen konzentriert. So wurden eben Kleidung und Schuhe, Hygieneprodukte und Übernachtungsmittel sowie Nahrung und Kaffeepulver ausgegeben. Da dafür ein Lager an günstiger Stelle gebraucht wurde, sprach der Gründer die damalige Bürgermeisterin Steffie Seiler auf die fast das ganze Jahr leer stehenden Sanitätswachenräume neben der Toilettenanlage auf dem Festplatz an. Damals war dort aber das Dach undicht, ebenso die Fenster und es gab eigentlich nur zwei trockene Räume, wovon einen die Stadt als Lager nutzte. Der zweite wurde von der Stadt ohne Kosten für Miete, Strom und Heizung und ohne Vertrag der SAS als Lager- und Ausgaberaum überlassen.
Später hat die Stadt das Dach abgedichtet und die SAS konnte mit gespendeten Fenstern, Türen und Handwerksleistungen auch die Gebäudehülle wieder schließen und auch neue Böden verlegen. So konnte man auch die anderen Räume nutzen, etwa eine Kleiderkammer einrichten.
Das Spendenaufkommen und die Zahl der Helfer gestattete es, auch den sehr armen und teilweise auch wegen persönlicher Krisen oder Suchtschädigungen hilflosen Menschen in den städtischen Notunterkünften Lebensmittel und Hygienprodukte zuzufahren. Der Sachwert erreicht inzwischen 1.500 Euro und mehr im Monat.
Dann wurde ein weiterer wesentlicher Schritt erreicht: Es wurde mit Spendengeldern eine Dusche installiert, so dass sich nunmehr obdachlose Menschen dort duschen können. Als ich die Einrichtung besuchte, hatte ein Gast vorher mit einem Prepaid-Handy angerufen und dann kommt ein Ehrenamtlicher wie hier nach Feierabend vorbei und schließt dem Gast auf, gibt benötigte Produkte aus. Und reinigt später den Duschraum. Die Gäste dürfen im Winter auch nach dem Duschen noch etwas bleiben, damit sie nicht frisch geduscht sofort in die eisige Kälte müssen.
Ebenso gibt es eine Waschmaschine und einen Trockner.
Einige obdachlose Menschen stinken, weil jeder Mensch stinkt, der sich wochen- oder monatelang
nicht waschen oder duschen kann und der seine Kleidung nicht waschen kann. Bei beidem hilft die SAS seither wirksam und für die Stadt fast kostenlos. Nur etwas Stromkosten und Heizkosten bleiben für die Stadt hängen und die Führung des Spendenkontos.
Eine Freiwillige, eine gelernte Friseurin, schneidet den Gästen zu bestimmten Zeiten kostenlos die Haare.
Regelmäßig gibt es Kaffee mit Frühstück, eine Gelegenheit aus Einsamkeit und Isolation zu kommen, Gemeinschaft aufzubauen, sich als Gast, als Mensch zu fühlen, aber auch Vertrauen aufzubauen.
Um sich dann beraten zu lassen und vielleicht zu anderen Hilfsangeboten überleiten zu lassen. Und so in einigen Fällen wieder ganz den Weg zurück zu finden.
Stefan Wagner und die 15 Ehrenamtlichen nehmen keinerlei Vergütung. Er hatte die Stadt erfolgreich gebeten alle Spenden für den SAS auf einem städtischen Konto anzunehmen. Und für alle Hilfsgüter, die der (BGB)-)Verein ankauft, wie etwa Isomatten, Sommer- und Winterschlafsäcke zu dessen Einkaufspreis von Lukas Scheben, überweist die Stadt den Preis aus den Spenden für die SAS an den Lieferanten. So herrscht vollkommene Transparenz und es gibt keinerlei Barkassen oder schwarze Kassen, die immer wieder Menschen in böse Versuchung führen.
Allerdings gibt es ein Problem. Nicht die frühe absolut falsche Äußerung aus einer Partei in Speyer, die Soziale Anlaufstelle würde einen nur herbeigeredeten, keinen echten Bedarf decken wollen.
Nein, das Problem ist die Tatsache dass praktisch alle Obdachlosen in Speyer 38 Menschen und eine Frau aus einem unmittelbaren Nachbardorf und eine von etwas weiter weg, insgesamt 40 Menschen im Lauf der Jahre Vertrauen in die ehrenamtlichen Helfer gefasst haben und auch kommen. Der Raum für das Cafe fasst aber nur 12 Menschen und man kann nur maximal 16 reinquetschen. Jetzt im Sommer gibt es eine Markise und Plastikstapelstühle für den Raum zwischen dem Gebäude und dem Grün des Hanges zur Rheinbrücke. Der Vorsitzende und seine Helfer konnten sich aber nicht vorstellen, die Hälfte der Gäste im Herbst und Winter einfach wegzuschicken.
Gewünscht hatte man sich einen Anbau, eine Aufstockung in Holzrahmenbauweise oder eine Verlagerung in Räume die ehemaligen Stiftungskrankenhauses. Als Bitten und Drängen bei den Damen des Stadtvorstandes keinerlei Erfolg zeigten, machte man die Not öffentlich und wandte sich auch an Räte. Das wurde möglicherweise als schwer- bis unverzeihliche Majestätsbeleidigung gesehen.
In dem völlig falschen Glauben, diese erfolgreiche und für die Stadt zudem noch fast kostenlose große Hilfe für Menschen in echter Not, würde wirklich geschätzt, drohte der Vorsitzende, die Arbeit, dieses Angebot im Winter dann ganz einzustellen, weil man eben nicht die Hälfte der Menschen wegschicken könne. Das war als Druckmittel gedacht, um doch noch Platz für 40 Gäste auch im Winter zu bekommen.
Stattdessen wurde dieser Hilfeschrei und Protest als Vorwand genutzt, im Kern von Sozialbürgermeisterin Monika Kabs, um den eigentlichen Träger der Hilfe aus dem Gebäude rauszuwerfen und so das ehrenamtliche Projekt zu zerstören, wenn das nicht gestoppt wird. Dabei ist zu beachten, dass die Spenden genau für dieses Projekt in der Form und mit diesen ehrenamtlichen Helfern gespendet wurden, nicht für ein mögliches Surrogat, vielleicht konstruiert von Menschen, die das ganze immer noch nur als herbeigeredeten Bedarf sehen."
Hinweis: Die in Leserbriefen geäußerten Meinungen decken sich nicht unbedingt mit der Meinung der Redaktion. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu kürzen.