Von Michael Stephan
Die Wildschönau war einst ein See, in dem ein fürchterlicher Drache hauste. Ein Bauer tötete ihn durch eine List. Im Verenden biss das Ungeheuer den Felsen nach Kundl durch, und der See entleerte sich. So entstanden die Wildschönau und die Kundler Klamm“. Diese Sage über die Entstehung des herrlichen Hochtales gehört in die Untergangs-Sagen“, die gerade in den Alpentälern häufig zu belegen sind.
Eine Gemeinde, vier Kirchdörfer – das ist die Wildschönau. Vier Kirchen, vier Musikkapellen, vier Feuerwehren…..im Hochtal gibt’s von allem ein wenig mehr als anderswo – auch von der Gastfreundschaft. Knapp 4.300 Einwohner zählt die Großgemeinde, die sich eingebettet in ein malerisches Seitental der Kitzbühler Alpen über eine Länge von 24 Kilometern erstreckt. Vom knapp sieben Kilometer entfernten Wörgl ist die Wildschönau über eine gut ausgebaute Serpentinenstraße zu erreichen. Durchgangsverkehr gibt’s hier keinen, auch keine Industrie, dafür 260 bewirtschaftete Bauernhöfe, 46 Almen und einen Bürgermeister für alle.
Franzískusweg
Zwischen Niederau und Ober verläuft entlang der Bachpromenade der 2004 angelegte Franziskusweg. Ausgehend vom Friedensideal und dem Armutsgedanken, den der hl. Franziskus im 13. Jahrhundert vorgelebt hat, sollen auf diesem Besinnungsweg Themen aus dem berühmten Sonnengesang des hl. Franziskus anklingen und dessen innige Verbundenheit mit Gott, den Menschen und
der Mitwelt zum Ausdruck bringen. Die neun Stationen aus Bronze und Stein schuf in eindrucksvollen und klaren Formen der Bildhauer Prof.Mag. Hubert J. Flörl aus Oberau. Eingebunden in die Berglandschaft der Wildschönau, sollen sie zu einer neuen Beziehung zur Schöpfung anregen. Sie umfassen folgende Themen: 1. An das Universum, 2. An die Sonne, 3. An den Mond und die Sterne, 4. An den Wind und das Wetter, 5. An das Wasser, 6. An das Feuer, 7. An die Welt mit ihren Samen und Früchten, 8. An die Liebe, 9. An den Tod.
Der Weg ist ganzjährig begehbar und nachts beleuchtet. Er eignet sich sowohl für Familien mit und ohne Kinderwagen als auch für Menschen mit wenig Kondition. Vorbei an Wasserläufen sind während der Wanderung nur 63 Höhenmeter und zwei Holzbrücken zu bewältigen. Auf dem Weg befindet sich das Tourismusbüro Wildschönau und das Bergbauernmuseum z Bach“.
Bergbauernmuseum z Bach“
Interessantes und skurriles über Handwerks- und Nutzungsgegenstände gibt es zu entdecken. Beachtenswert ist die Außenanlage mit Kapelle, Mühle, Bauerngarten und dem Brotbackofen. In den historischen Räumen des Bauernhofes aus dem Jahre 1795 ist eine bemerkenswerte Sammlung untergebracht. Über 1.200 Exponate erzählen Geschichte und Geschichten über das Leben der Tiroler Bergbauern. Der berühmten Schauspielerfamilie Hörbiger, deren Urheimat die Wildschönau ist, widmet das Museum einen eigenen Raum. Während der Sommermonate findet im Museum jeden Donnerstag ein Handwerksmarkt statt. Abwechselnd arbeiten Holzschnitzer, Drechsler, Schumacher, Weber und Korbflechter nach überlieferten Techniken. Aus dem alten Backofen gibt es frisches Bauernbrot zum Mitnehmen und in der alten Museumsküche werden duftende Schmalznudeln“ gebacken. Dazu werden Spezialitäten vom Bauernhof angeboten. Nicht umsonst gehört die Wildschönau seit Jahren zu den Genussregionen Österreichs.
Schönangeralm – Im Reich des Käsekönigs
Die Schönangeralm liegt am Ende des Tales auf 1.190 Meter Seehöhe. Hier empfängt uns der Käse-König“ Johann Schönauer. Er kümmert sich um 260 Kühe, die täglich 2000 Liter Milch geben. Die
verwandelt er in köstlichen Camembert, Kräuterkäse, Bergkäse und Tilsiter. Die 25 Bauern, die ihm das Vieh anvertrauen, sind stolz auf ihre Wahl: Denn mit Johann haben sie sich nicht nur einen Vollblut-Senner engagiert, sondern zugleich einen echten Profi, der bei den Käse-Olympiaden in Galtür schon manche Goldmedaille geholt hat. Johann lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Auch in der Schaukäserei nicht, wo er mit Hingabe arbeitet und nebenbei höflich Fragen beantwortet. Dass sein Gesicht mal glatt rasiert, mal mit langen Barthaar überwuchert ist, hat mit einem alten
Brauch zu tun. Zu Beginn der Almsaison lässt sich der Senner das Haupthaar stehen – und schneidet es erst im Herbst wieder ab, wenn auch der letzte Bauer ihn für seinen Einsatz auf das Alm bezahlt hat.
Krautinger-Hochprozentiges aus der Rübe
Wer zu den wahren Wildschönauer Wurzeln vordringen möchte, kommt am Krautinger nicht vorbei. Kaiserin Maria Theresia war es einst, die den armen Wildschönauer Bauern das Recht verlieh, aus der weißen Stoppelrübe Hochprozentiges herzustellen. Heute sind es noch 16 Bauern, die das Brennrecht ausüben – und den Schnaps herstellen, der nur hier gebrannt werden darf und dem heilende Kräfte zugeschrieben werden. Noch heute ist es eine besondere Ehre, als Fremder“ zu einem Krautinger“ eingeladen zu werden – und wir durften den mal mehr, mal weniger nach Sauerkraut riechenden Schnaps verkosten…..
Freiheitskampf in der Wirtsstube
Wir fahren hinauf ins berühmte Thierbach. Warum berühmt? Weil es vor einigen Jahren der Ort mit der kleinsten Volksschule Österreichs war. Eine Klasse nur, fünf Kinder. Insgesamt hat Thierbach 180 Einwohner. Aber nicht nur aus diesem Grund ist dieses idyllische Örtchen einen Besuch wert, sondern vor allem wegen der Speckbacherstube im Gasthof Sollererwirt. Einst war das Hochtal nur über Schleichwege oder die Kundler Klamm zu erreichen und deshalb war es auch Rückzugsgebiet im Tiroler Freiheitskampf. Vor über 200 Jahren ließ Andreas Hofer in der Wildschönau die letzten Reserven für den Kampf gegen Napoleon und die Bayern mobilisieren. Wer kein Schießgewehr hat, möge Spieße oder Mistgabeln an lange Stangen machen“. So steht es im Aufruf, den Hofers Kampfgenosse Josef Speckbacher beim Sollererwirt verfasste. Der schwarze Klapptisch, an dem Speckbacher in der nach ihm benannten Stube saß, sowie das Dokument zieren noch heute den originalgetreu erhaltenen Raum.
Am letzten Abend in der Wildschönau denken wir gerne zurück an eine wunderbare intakte Natur, an Menschen, die etwas Besonderes waren, wie Johann, der den preisgekrönten Käse macht, an Joch, der soviel Geschichte und Geschichten aus der Wildschönau zu erzählen hat, an Hubert, der mit dem Franziskusweg einzigartiges geschaffen hat, an Christine vom Tourismusverband, deren Herzlichkeit und Gastfreundschaft besonders beeindruckte; Menschen, die den besonderen Geist der Wildschönau widerspiegeln, der die Wildschönauer verbindet und den Besucher als überraschend empfinden. Hier in der Wildschönau ist die Welt einfach noch in Ordnung.
Gut zu Wissen:
Anreise: mit dem Auto: Autobahn über München-Inntalautobahn bis Wörgl-Ost (ab Kufstein Mautpflicht) oder Ausfahrt Kiefersfelden über Kufstein auf Bundesstraße nach Wörgl.
Mit der Bahn: bis Bahnhof Wörgl, von dort mit Linienbus der Post oder Taxi in die Wildschönau
Infos: Wildschönau Tourismus, Hauserweg, Oberau 337, A-6311-Wildschönau; Tel. 0043 5339 8255; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!