Von Mathias Köller
Im Jahr 2021 jährt sich zum 800. Mal die Ankunft der ersten Franziskanerbrüder in Deutschland. Ein frühes Zentrum ihres Wirkens war Speyer – und ein Speyerer spielte eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung des Ordens, der mit den Dominikanern, Augustinereremiten, Karmeliten und später den Serviten zu den Ordensgemeinschaften neuen Typs, den sogenannten Bettelorden zählt.
Der Name rührt daher, dass die Mönche vollständig von milden Gaben der Bevölkerung lebten und nicht Eigenwirtschaft betrieben wie die Benediktiner, in deren Motto: „Ora et labora, bete und arbeite“ geradezu die Arbeit in der Landwirtschaft zu einem Ordenszweck wurde und in der zisterziensischen Wirtschaft im System der Grangien, also damals modern organisierten Wirtschaftshöfen, perfektioniert wurde.
Bettelorden und die im 12. und 13. Jahrhundert vermehrt auftretenden Stadtgründungen bedingen einander. In den volkreichen Städten war ein starkes Bedürfnis nach Seelsorge und gleichzeitig waren die Möglichkeiten zum Leben von der „Hände Arbeit“ eingeschränkt. Zugleich ermöglichte die städtische Lebensform mit ihren vielseitigen Erwerbsmöglichkeiten in Handel und Handwerk den Bau neuer Kirchen und Klöster und die Entstehung eines Stiftungswesens, dem nun auch Bürger und nicht nur der grundbesitzende Adel zusprachen. Am weitesten fortgeschritten war die Stadtwerdung im Rheintal, wo zugleich die bischöflichen Zentren waren, von Chur und Basel am Hochrhein, über Straßburg, Speyer, Worms und Mainz am Oberrhein nach Köln und Utrecht am Niederrhein. Auch Trier und Lüttich können diesem Kultur- und Wirtschaftsraum zugerechnet werden.
Cäsarius von Speyer ein früher Gefährte des Heiligen Franziskus
Mit dem im Franziskanerorden als Seligen verehrten Cäsarius von Speyer, der im Pfingstkapitel von 1221 vom hl. Franziskus nach Deutschland geschickt wurde, besitzt die pfälzische Bischofsstadt einen frühen Gefährten des Franziskus. Cäsarius, der Überlieferung nach ein Speyerer Domprediger aus dem Umfeld des Domdekans Konrad, der später einer der bedeutendsten Hildesheimer Bischöfe werden sollte, erfüllte den Auftrag im Herbst des Jahres 1221, gelangte mit den Gefährten über Trient, wo sie von einem reichen Gönner, der sich ihnen sofort anschloss, neu eingekleidet wurden, über Bozen und Brixen und den Brenner nach dem nördlichen Tirol, wo sie ihren Weg nach Augsburg fortsetzten. Dort hielten sie ein Kapitel ab, in dessen Folge je zwei Brüder nach Würzburg, nach Speyer, Straßburg, Bonn und Salzburg gesandt wurden. 1222 folgte das erste Kapitel der deutschen Provinz in Worms.
Über die Einzelheiten informiert die Chronik des Jordan von Giano. Die bis 1262 reichende Chronik gilt als zuverlässig und eine der wichtigsten Quellen für die Ausbreitung des Franziskanerordens nördlich der Alpen. Der aus Spoleto gebürtige Minderbruder soll dem Orden schon 1217 oder 1218 beigetreten sein. Zunächst in Salzburg predigend reiste er 1222 über Würzburg, Mainz und Worms nach Speyer. Hier empfing er 1223 die Priesterweihe und wurde Guardian des Speyerer Konventes. Die Franziskaner sind damit unter den vier in Speyer ansässigen Bettelorden der am Standort älteste. Der Konvent fand vermutlich im Leprosenhaus, das außerhalb der Stadtmauer an der Straße nach Berghausen lag, sein erstes Unterkommen. Jedenfalls wurde dort 1223 das zweite deutsche Provinzialkapitel abgehalten. Ein bald darauf von dem Kanoniker Vither/Dieter im an der südlichen Stadtmauer gelegenen Allerheiligenstift gestiftetes Haus könnte schon im Areal des späteren Klosters gelegen sein. Er umfasste ein Gebiet, das in etwa dem späteren Stiftungskrankenhaus entspricht, also südlich des Königsplatzes lag. Die 1689 beim großen Stadtbrand durch die Franzosen zerstörte, durch den Bischof Heinrich von Samland 1256 geweihte Kirche wurde nach 1700 mit barocker Innenausstattung wieder aufgebaut und, obwohl von den Zerstörungen im Gefolge der französischen Revolution weniger stark betroffen, von der Napoleonischen Verwaltung versteigert, um dadurch die Mittel zu gewinnen, um den stark mitgenommenen und als Stall genutzten Dom wiederherzustellen.
Bald siedelten sich auch zwei Frauenklöster dieses neuen Typs an, wobei die Dominikanerinnen von St. Magdalena zwar als Reuerinnenkloster schon 1232 urkundlich erwähnt wurden, jedoch erst 1304 durch Papst Benedikt XI. dem Dominikanerorden eingegliedert wurden. Liegt St. Magdalena in der ehemaligen Vorstadt Hasenpfuhl, so das Klarissinnenkloster in der nördlichen Vorstadt Altspeyer. 1289 in Oggersheim gegründet, begaben sich die Nonnen „in deme Jahre da der konig Adolff starb“ – das wäre im Jahr der Göllheimer Königsschlacht 1298 – nach Speyer, wo sie bis 1800 blieben. Die von den Revolutionären als Schlachthaus genutzte Klosterkirche wurde vor 1820 samt dem Kreuzgang abgebrochen. Die Anlage lag im Bereich des heutigen St. Klara-Klosterweges und der Straße Zum Pfauenturm.
Dominikaner seit 1262 in Speyer ansässig
Kamen die Gefährten des hl. Franziskus noch zu Lebzeiten ihres Ordensvaters nach Speyer, so siedelte sich auffälligerweise die Gemeinschaft des am 6. August 1221 gestorbenen heiligen Dominikus erst im Jahre 1262 in Speyer an. Doch muss es vorher schon Verbindungen nach Speyer gegeben haben, denn die Klosterüberlieferung weiß von Kontakten zu dem zugleich die Ämter eines Bischofs von Speyer wie von Metz und das Reichskanzleramt innehabenden Bischof Konrad von Scharfenberg (1200-1224). Die Kirche, deren Grundstein 1264 durch Bischof Heinrich II. von Speyer gelegt wurde, wurde durch den Straßburger Bischof Johann in Anwesenheit von König Albrecht von Österreich und dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt am 31. März 1308 eingeweiht. Im Gefolge der Reformation erzwang der Speyerer Rat die Nutzung des Langhauses als evangelisches Gotteshaus, so dass den Mönchen nur noch der als einziges Zeugnis der Speyerer Klostervergangenheit neben dem Kloster St. Magdalena erhaltene Chor, die profanierte Kirche St. Ludwig, verblieb.
Mit den Augustinereremiten, seit 1265 in Speyer, und den Karmeliten, seit 1291 in Speyer, sowie den nach der Reformation entstandenen Kapuzinern, die zur franziskanischen Ordensfamilie gehörten und deren Kirche als sogenanntes Gilgenhaus bei St. Joseph – umgebaut – erhalten blieb, wirkten für über 500 Jahre Mönche der verschiedenen Gemeinschaften der Bettelorden in Speyer. Sie waren typisch für die mittelalterliche Stadt und überlebten in der Freien Reichsstadt unter dem kaiserlichen Schutz den tiefen Einschnitt der Reformation. Erst die Umwälzungen um 1800 bereiteten ihrer Präsenz ein Ende. Doch lebt im Kloster St. Magdalena der weibliche Zweig weiter und mit dem Karmel Maria Mutter der Kirche kam 1986 auch wieder karmelitanisches Leben nach Speyer.
Frühe Standorte der Bettelordenbewegung im Sprengel des heutigen Bistums Speyer waren zudem die Franziskaner in Kaiserslautern (seit 1284), die Augustiner in Landau (seit 1299) und die Serviten in Germersheim (seit 1298).
Text: Mathias Köller, Bistumsarchiv Speyer