Im Speyerer Dom wurde in der Liturgie zum Karfreitag mit Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann und Weihbischof Otto Georgens des Leidens und Sterbens Jesu gedacht. Dieser habe, wie der Weihbischof in seiner Predigt ausführte, auch im Angesicht der Gewalt nicht auf Rache und Vergeltung gesinnt, sondern wurde „der Gewalt Herr und überwindet sie durch Erbarmen und Liebe“.
Der Gottesdienst zur Karfreitags-Liturgie ist in seiner Art einmalig im ganzen Kirchenjahr und folgt einer besonders alten liturgischen Gestaltung. In diesem Jahr widmete sich eine der Fürbitten dem aktuellen Kriegsgeschehen in der Welt.
Im Zentrum der Karfreitags-Liturgie steht neben der Passionsgeschichte auch die Kreuzverehrung. „Ein eigentümlicher Ritus: die Verehrung eines Folterinstrumentes“, so Georgens. „Der Zusammenhang von Religion und Gewalt steht mir wieder vor Augen: Das Kreuz erinnert daran, dass Jesus von den Frommen seiner Zeit angeklagt wurde.“ Das Kreuz zeige auf erschreckende Weise, wozu Menschen fähig seien. „Es zeigt aber auch, wozu Jesus fähig war: Denn er hat die Gewalt, die ihm angetan wurde, nicht erwidert, sondern ausgehalten.“ Weiter noch, er habe in seinem Glauben an das Gute im Menschen appelliert: „Die Gewalt wird ausgehalten in der Hoffnung, dass sie sich totläuft. Auf diese Weise können die alten Mechanismen überwunden werden. Das ist Erlösung: dass die Welt aus den Zwängen der Gewaltgeschichte befreit wird.“ Dafür brauche es große innere Stärke und Mut. Zusammenfassend lasse sich damit sagen, dass die Kreuzverehrung keine Verherrlichung der Gewalt sei: „Nicht die Gewalt wird verherrlicht, sondern Jesus! Denn er wird der Gewalt Herr und überwindet sie durch Erbarmen und Liebe.“
Weihbischof Georgens führte weiter aus: „In unserer Welt wird die Gewalt glorifiziert. Und die Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Die Kulturen in aller Welt haben triumphale Siegesdenkmäler errichtet.“ Das Kreuz aber sei das erste Denkmal gewesen, das an ein Opfer erinnert, und damit die Gewalt und Lügen der Sieger entlarve. „Erst mit dem Christentum kam es dazu, dass man die Opfer nicht mehr vergisst, dass man so etwas wie ein Denkmal für die gefallenen Soldaten oder für den Holocaust errichtet. Das Kreuz ist das erste Denkmal, das die Menschheit daran erinnert: Gott vergisst die Opfer nicht. Gott ist kein Komplize der Sieger, sondern erbarmt sich ihrer Opfer. Und er lässt ihr Sterben nicht vergeblich sein.“
Georgens rief die Gemeinde dazu auf, den Gekreuzigten, der das Böse durch Erbarmen, Großzügigkeit, Vergebung und Liebe überwunden hat, nachzuahmen und zu verehren. Trotz erlittener Gewalt sei es wichtig, nicht auf Rache zu sinnen. „Das Kreuz ist das Gegenbild gegen das Auseinanderdriften und Untergehen in den dunklen Tiefen des Todes. Es ist die Planke, die uns rettet, weil Jesus uns umarmt und mitnimmt zum Vater, hinein in die Liebe, hinein in sein Leben.“
Der Gottesdienst im Speyerer Dom wurde musikalisch gestaltet vom KathedralJugendChor und dem Domchor.
Hintergrund (Text DBK)
Am Karfreitag gedenken Christen des Leidens, der Kreuzigung und des Todes Jesu. Viele Gläubige beten und gehen an diesem Tag den Kreuzweg mit seinen 14 Stationen von der Verurteilung Jesu bis zur Grablegung. An diesem Tag hat die Stunde, in der Jesus starb, eine besondere Bedeutung. In der Heiligen Schrift wird dieser Zeitpunkt als die „neunte Stunde“ bezeichnet (Mt 27,46). Nach mitteleuropäischer Zeit ist es 15.00 Uhr. Die Liturgie des Tages hat einige Besonderheiten, die es so nur einmal im Jahr gibt. Die Glocken in den Kirchen schweigen, der Tabernakel, in dem die geweihten Hostien, der Leib des Herrn, aufbewahrt werden, ist leer. Auf dem Altar befindet sich nichts. Der Gottesdienst beginnt im Schweigen, ohne Kreuzzeichen. Die Passion, die Leidensgeschichte Jesu, wird gelesen und es gibt besondere Fürbitten. Ein zentraler Punkt der Liturgie ist die Kreuzverehrung. Die Gläubigen verneigen sich oder beugen die Knie vor dem Kreuz. (is / Foto: Klaus Landry)