Von Klaus Stein
Ständig ist Eugen Flicker in Bewegung, tanzt gerne, hat Freude an der Musik, macht jedes Jahr das Sportabzeichen und bei den Fasnachtsveranstaltungen, die er gerne besucht, ist er kaum zu halten. Heute wird "De klä Franzos", wie ihn die Speyerer liebevoll nennen, 90 Jahre alt. Sein Leben ist ein Spiegelbild des lange Zeit komplizierten Verhältnisses der Deutschen zum Nachbarland Frankreich. Die Familie Flicker stammt aus dem Odenwald.

Nach dem 1. Weltkrieg hatte es den Onkel und den Vater von Eugen Flicker in die Pfalz nach Speyer verschlagen. Sein Onkel war so etwas wie der persönliche Referent des Separatistenführers und Präsidenten der "Autonomen Pfalz", Franz Josef Heinz, genannt Heinz Orbis. Der wurde 9. Januar 1924 von Deutschen "Patrioten" in Speyer ermordet. Auch die beiden Flickers sahen ihr Leben wohl in Gefahr und flohen ins damals wieder einmal französische Elsaß.
Eugens Vater heiratete in Bischwiller eine Elsässerin und dort kam auch Eugen zur Welt.
Nachdem 1940 die Deutschen das Elsass zurückerobert hatten, kam sein Vater, der aktiver Gewerkschafter war, als einer der ersten politischen Gefangenen in Haft.
Die Mutter hatte es schwer, die Familie durchzubringen, denn reguläre Arbeit bekam sie nicht mehr. Auch Eugen litt unter der "Sippenhaft", denn sein Wunschberuf Lehrer wurde ihm verwehrt.
So machte er nach dem Krieg eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete in Straßburg.
Seine Militärzeit verbrachte er auf den Flaggschiff der französischen Mittelmeerflotte. Da fiel er dem Admiral durch sein gutes Trompetenspiel auf und fortan blies er bei den Fahnenappellen. Das verschonte ihn vor einem Einsatz im Algerienkrieg. Beim Militär spielte er auch sehr erfolgreich Fußball.
Als Trompetenspieler wurde er auch in Speyer bekannt, denn es gab lange Zeit kaum ein Fest, an dem nicht seine Trompete ertönte. Heute bläst er immer noch, allerdings in die Mundharmonika, denn Trompete ist ihm zu anstrengend.
Als Fußballer kam er Anfang der 50er Jahre zum damaligen Oberligisten FV Speyer - als erster französischer Vertragsspieler nach dem Krieg in Deutschland. Die Domstadt wurde schnell zur zweiten Heimat, auch weil er seine Frau Irma kennenlernte, mit der er viele Jahrzehnte glücklich verheiratet war. Im Andenken an sie gründete er nach deren Tod die "Irma Flicker-Stiftung" unter dem Dach der "Kulturstiftung Speyer".
Zwar lebten die Beiden eine Zeitlang in Frankreich, denn Eugen hatte seinen Beruf gewechselt und war sehr erfolgreich als selbstständiger Kaminbauer im ganzen Land unterwegs. Aber letztlich zog es sie wieder nach Speyer, wo sie lebende Symbole der deutsch-französischen Aussöhnung wurden. Durch viel Engagement und Fleiß kamen sie zu einem gewissen Wohlstand.
"Ich habe nie vergessen, in welch armen Verhältnissen ich aufgewachsen war und bin deshalb auch Sozialdemokrat", sagt er von sich. So unterstützt er Vereine und Organisationen finanziell und ist in zahlreichen Vereinen in beiden Ländern aktiv, vor allem bei der Fasnacht, einer weiteren großen Leidenschaft.
Eugen Flicker wurde für sein vielfältiges Engagement in seinen beiden Heimatländern mehrfach geehrt und ausgezeichnet.
Zu seiner Geburtstagsfeier haben sich wieder zahlreiche Freunde und Weggefährten auf Deutschland und Frankreich angesagt und Eugen wird das Fest in vollen Zügen genießen. (Foto: ks Archiv)