Immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsende in Rheinland-Pfalz benötigen eine Psychotherapie. Die Corona-Pandemie scheint diesen Trend verstärkt zu haben. Das zeigen repräsentative Auswertungen für den Arztreport der BARMER. "Selbst für Eltern kann es schwer sein, die Gemütslage ihres Kindes richtig zu deuten.
Es ist manchmal ein schmaler Grat zwischen normaler kindlicher Angst und einer behandlungsbedürftigen Angststörung", sagt Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der BARMER in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Im Zweifel sollten Eltern immer professionelle Hilfe für ihre Kinder aufsuchen.
Laut Arztreport hat sich der Anteil junger Menschen aus Rheinland-Pfalz im Alter bis 24 Jahren, die eine psychotherapeutische Behandlung erhalten haben, vom Jahr 2009 bis zum Jahr 2019 fast verdoppelt. Er stieg in diesem Zeitraum von 1,95 Prozent auf 3,82 Prozent, was einem Zuwachs von 96 Prozent entspricht. Rund 37.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in dem Bundesland erhielten damit im Jahr 2019 eine Psychotherapie. Bei ihnen kamen insgesamt 18,5 Millionen Therapieminuten zusammen. "Einer von 26 jungen Menschen in Rheinland-Pfalz erhält eine Psychotherapie. Man könnte auch sagen, dass etwa ein Kind pro Schulklasse therapiebedürftig ist", rechnet Kleis vor.
Corona-Pandemie verschärft Situation bei Kindern und Jugendlichen
Die Corona-Pandemie samt strikter Kontaktbeschränkungen dürfte die Situation mit Blick auf den Bedarf an Psychotherapie bei jungen Menschen verschärft haben. Bei BARMER-versicherten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis einschließlich 24 Jahren sind die Zahlen für Akutbehandlungen ohne Vorabgenehmigung sowie die Anträge für psychotherapeutische Leistungen im Jahr 2020 um 6,3 Prozent gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. Gerade in den letzten beiden Quartalen des Jahres 2020 zogen die Zahlen an. "Besonders Kinder und Jugendliche leiden unter der Corona-Krise. Eltern, Bezugspersonen, Kinder- und Jugendärzte sowie Psychotherapeuten müssen gerade jetzt möglichst eng zusammenarbeiten", meint Kleis.
Die Ursachen für den Bedarf an Psychotherapien bei Kindern und Jugendlichen sind laut Kleis sehr unterschiedlich. Am häufigsten seien im Jahr 2019 sogenannte "Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen" ausschlaggebend gewesen. Dafür gebe es viele Auslöser, angefangen von Trauererlebnissen bis hin zu Mobbing. Die zweithäufigste Ursache seien Depressionen gewesen, gefolgt von Angststörungen und emotionalen Störungen im Kindesalter. Kleis erklärt: "Gerade weil die Ursachen für eine seelische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen so vielfältig sind, sollten Verhaltensauffälligkeiten bei Heranwachsenden immer ernst genommen werden."
Zahl der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten steigt im Land
Der Arztreport zeigt auch, dass der steigende Bedarf an Psychotherapie für junge Menschen auf ein immer engeres Betreuungsnetz trifft. Gab es im Jahr 2013 noch 137 Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten in Rheinland-Pfalz, waren es im Jahr 2019 schon 222. Das entspricht einem Anstieg von 61,7 Prozent. Heranwachsende werden oft auch von Psychotherapeuten ohne Weiter- oder Ausbildung in Psychotherapie für Kinder und Jugendliche behandelt. Ihre Zahl wuchs in Rheinland-Pfalz im gleichen Zeitraum um 67,8 Prozent auf 810. "Betroffene dürfen von einer Therapie keine Wunder erwarten. Je früher aber Heranwachsende professionelle Hilfe bekommen, desto größer ist die Chance auf einen minder schweren Verlauf ihrer psychischen Erkrankung", erläutert Kleis.
Die BARMER-Landesgeschäftsführerin betont, dass es auch abseits von Therapeuten Hilfsangebote für Heranwachsende mit psychischen Problemen gibt. So unterstütze die BARMER das kostenlose Online-Angebot krisenchat.de. Bei psychischen Problemen könnten sich junge Menschen bis 25 Jahren dort unkompliziert und anonym an geschulte psychosoziale Ehrenamtliche wenden. Der Anbieter sei ein gemeinnütziges Unternehmen. Zudem unterstütze die BARMER fideo.de, eine neue Webseite des Vereins "Diskussionsforum Depression" für Jugendliche ab 14 Jahren. Die Seite biete unter anderem ein von Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten moderiertes Selbsthilfeforum, in dem sich Jugendliche austauschen könnten.