Von Klaus Stein
Ich habe das Gefühl, mich kneifen zu müssen, um aus einem schlechten Traum aufzuwachen, so unwirklich ist die aktuelle Situation. Politiker und Virologen sprechen von einem Krieg, den wir gegenwärtig gegen das Coronavirus kämpfen - und er hat gerade erst angefangen. Wie in einem Krieg rufen Staaten den nationalen Notstand aus, verordnen den Menschen eine Ausgangssperre.

Das öffentliche, kulturelle und soziale Leben findet nicht mehr statt, sogar Enkel sollen nicht ihre Großeltern treffen. Die Straßencafés sind fast leer trotz des heraufziehenden Frühlings. "Ich gehe davon aus, dass wir bald schließen müssen", schätzt eine Eisdielenchefin in der Speyerer Innenstadt die Lage realistisch ein. Tatsächlich bin ich am Montagnachmittag für längere Zeit der einzige Gast, so dass der junge Mann, der sonst dort bedient, nicht gebraucht wird, also auch nichts verdient.
Niemand weiß, wie es für Ladenbesitzer und Gastronomen weiter geht. Die hohen Mieten laufen weiter und Liquiditätsdecke ist oft dünn, es gibt kaum Reserven.
Wer hilft der freiberuflichen Musikerin, die ihren Lebensunterhalt mit Musikunterricht an Musikschulen und Engagements in Orchestern bestreitet. Die Musikschulen sind geschlossen und alle Konzerte sind auf nicht absehbare Zeit abgesagt.
Bei den Arbeitsämtern häufen sich die Arbeitslos-Meldungen.
Bei einen großen Konzern in der Region gibt es die seltsame Situation, dass die zahlreichen Beschäftigten aus dem Elsaß fehlen, die restliche Belegschaft deshalb Überstunden machen muss, trotzdem Kurzarbeit beantragt wurde. Bleiben einmal mehr die Kleinen auf der Strecke während die Konzerne Milliardenhifen abgreifen?
Es ist noch zu früh für ein fundiertes Urteil darüber, wie sich unsere Gesellschaft im Laufe der Epidemie entwickelt. Ich meine aber, nichts wird mehr so sein wie zuvor.
Erfreulich ist, dass sich die oft als unflexibel gescholtene Demokratie auch angesichts der noch nie dagewesenen Herausforderungen bewährt. Viele übernehmen Verantwortung. In autoritär regierte Staaten ist das anders. (Foto: ks)