Von Klaus Stein
Der Speyerer Stadtrat konstatiert den Klimanotstand. Nach einer teils emotional geführten Diskussion stimmte in der gestrigen Sitzung die überwiegende Mehrheit bis auf die Rechten von AfD und Wählergruppe Schneider sowie die FDP einem entsprechenden Antrag der Linken zu. "Die Stadt Speyer erklärt den Klimanotstand und erkennt damit die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität an", heißt es im Antrag, mit dem ein Maßnahmenkatalog einhergeht (siehe Anhang).

Vorm Einstieg in die Tagesordnung hatten zwei Vertreter/innen der Bewegung "fridays for future" (fff) Speyer Gelegenheit, einen Appell für konsequenten Klimaschutz an die Ratsmitglieder zu richten. "Wir erwarten eine besondere Güte der Stadt beim Klimaschutz und es wäre gut, wenn die bisher nicht verbindlichen Regeln festgeschrieben würden". so fff-Sprecher Justus Berberich. Speyer habe viel Potenzial, im Kleinen etwas zu verändern, beispielsweise Verkehrsalternativen zu entwickeln. Es gebe Speyerer Schulen, an denen noch nicht einmal der Müll getrennt werde.
Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler lud fff ein, in den entsprechenden Ausschüssen wie Umwelt, Verkehr oder Bau mitzuarbeiten.
Bereits vor dem Historischen Rathaus machte fff die Ziele mit Transparenten deutlich. Man habe auch anderen Fraktionen die Vorschläge zum Klimaschutz zukommen lassen, aber nur die Linke sei darauf eingegangen", sagte einer der Aktivisten zu unserer Zeitung.
Insgesamt war es ein ganzes Paket von Anträgen der Linken zum Klimaschutz. Sozusagen als Einstieg in die Klimadiskussion informierte Klimaschutzmanagerin Fabienne Körner über die Aktivitäten der Stadt zu diesem Thema. Demnach verursachen Kommunen 75 Prozent der schädlichen Klimagase. Jeder Speyerer produziere jährlich 11 Tonnen davon, die ganze Stadt 550.000 Tonnen. Hier gebe es große Einsparpotenziale. Bodenversiegelung, Hitzeinseln und Tropennächte waren weitere Stichworte, von harten und weichen Faktoren warf die Rede: "Die Verwaltung kann ein Klimaschutzkonzept nicht alleine umsetzen, da müssen alle daran arbeiten", so Körners Appell die hinzufügte, "als ich angefangen habe, wurde das Thema Klima von vielen belächelt, das hat sich in diesen sieben Jahren geändert." Die Klimaschutzmanagerin kündigte an, bis zum Jahresende die Maßnahmen zu überprüfen.
Die prompte Reaktion der AfD: Nicole Höchst zweifelte den Klimawandel.
Claus Ableiter (BGS) begrüßte generell die Entwicklung, dass dem Klimaschutz mehr Bedeutung zukommen soll, hatte aber Bedenken wegen der Symbolpolitik.
"Ich weiß, dass wir in Speyer nicht das Weltklima retten, aber wir können viele kleine Maßnahmen zum Klimaschutz umsetzen", so Linke-Sprecher Wolfgang Förster bei der Antragsbegründung. "Wir sehen die starke Symbolkraft des Antrags", signalisierte Irmgard Münch-Weinmann (Grüne) die Zustimmung ihrer Fraktion. Wegen eben diese Symbolcharakters meldeten Sandra Selg (SWG) und Axel Wilke (CDU) Bedenken an, Wilke bezeichnete die Ausrufung des Klimanotstands als "sehr plakativ". "Ich bin argumentativ ganz nah bei Herrn Wilke", so Höchst, die ansonsten keinen Klimawandel sah.
In einem emotionalen Beitrag zerpflückte Aurel Popescu (Linke) die Aussagen der Rechten und appellierte an die Gemeinsamkeit der Demokraten - erfolgreich, wie das Ergebnis zeigte.
Ein Weiterer Linken-Antrag zur Solardachpflicht wird auf Anregung der Oberbürgermeisterin ebenso im Ausschuss vorberaten wie das "Bürgerticket".

"Seebrücke" mehrheitlich zugestimmt
Nach einer kontroversen Diskussion stimmte der Stadtrat dem Linken-Antrag gegen die Stimmen der rechten und bei Enthaltung von CDU und Teilen der SWG zu, dass die Stadt sich zur Aufnahme von aus dem Mittelmeer gefischten Flüchtlingen bereit erklärt. Bemühungen der OB scheiterten, einen für die CDU akzeptablen Kompromiss zu finden. Zwar bewege auch ihn das Leid der Menschen, aber der Stadtrat sei nicht der Ort, sich damit zu befassen, so Wilke. Für Mattias Schneider sind die Flüchtlinge selbst schuld, wenn sie in Seenot geraten und Höchst bemühte sogar einen afrikanischen Geistlichen, um Migration als etwas grundsätzlich verwerfliches darzustellen.
"Es ist unser Recht, zu appellieren", widersprach Ableiter der CDU und auch Philipp Brandenburger signalisierte für die SPD Zustimmung. "Wir sind Stadt gegen Rassismus und Fairtrade Stadt, das darf nicht nur Papier bleiben", so Hanna Heller für die Grünen und aus Mike Oehlmann (FDP) konnte dem Appell zustimmen. (Foro: ks)

 

Der Linken-Antrag zum Klimanotstand:
Die Stadt Speyer ruft den Klimanotstand aus. Der Stadtrat erkennt an, dass die Stadt Speyer wächst, sich entwickelt und vielfältige Aufgaben hat. Um diese Entwicklung nachhaltig und klimafreundlich zu gestalten verabschiedet sie folgende Maßnahmen:
Die Stadt Speyer 1. erklärt den Klimanotstand und erkennt damit die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität an.
2. erkennt, dass die bisherigen Maßnahmen und Planungen nicht ausreichen, um die Erderwärmung bis 2050 auf die angestrebten 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
3. berücksichtigt ab sofort die Auswirkungen auf das Klima bei jeglichen Entscheidungen. Es werden diejenigen Lösungen bevorzugt, die möglichst stark den Klima-, Umwelt- und Artenschutz berücksichtigen und den Klimawandel und dessen Folgen abschwächen. Hierzu sollen für sämtliche Beschlussvorlagen die besten Möglichkeiten für Klima-, Umwelt- und Deutschland auf, dem Konstanzer und Kieler Vorbild zu folgen und den Klimanotstand auszurufen. Insbesondere macht sie Land und Bund darauf aufmerksam, dass ein vollständiges Einhalten der Klimaschutzziele auf kommunaler Ebene unter den derzeitigen Rahmenbedingungen noch nicht möglich ist. Erst ein vollständiger Abbau weiterhin bestehender Subventionen für fossile Energieträger, eine sozial gerecht ausgestaltete CO2Bepreisung, eine grundlegend veränderte Verkehrspolitik und eine klimaschutzkonforme Förderung des sozialen Wohnungsbaus würden hier das dringend benötigte Fundament legen.
4. fordert die Verwaltung auf, dem Stadtrat und der Öffentlichkeit jährlich und in konkreten Zahlen über Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Reduktion der Emissionen Bericht zu erstatten und daraus Konsequenzen ziehen.
5. fordert auch andere Kommunen, die Bundesländer und die Bundesrepublik Deutschland auf, dem Konstanzer und Kieler Vorbild zu folgen und den Klimanotstand auszurufen. Insbesondere macht sie Land und Bund darauf aufmerksam, dass ein vollständiges Einhalten der Klimaschutzziele auf kommunaler Ebene unter den derzeitigen Rahmenbedingungen noch nicht möglich ist. Erst ein vollständiger Abbau weiterhin bestehender Subventionen für fossile Energieträger, eine sozial gerecht ausgestaltete CO2-Bepreisung, eine grundlegend veränderte Verkehrspolitik und eine klimaschutzkonforme Förderung des sozialen Wohnungsbaus würden hier das dringend benötigte Fundament legen.
6. fordert auch die städtischen Beteiligungsgesellschaften auf, das oben genannte Verfahren anzuwenden und sich verstärkt mit den Möglichkeiten im Klimaschutz auseinanderzusetzen. Dem Stadtrat wird dazu vor Jahresende Bericht erstattet.
7. passt seinen Klimaschutzplan an die Pariser Klimaziele an. Das bedeutet eine weitgehende Klimaneutralität (0,3t/Person) vor dem Jahr 2035. Der derzeitige Masterplan 100% Klimaschutz orientiert sich neu an diesem Ziel und wird dementsprechend verändert.
Begründung: Der Mensch hat einen Klimawandel mit irreversiblen Folgen verursacht, welche weltweit zu spüren sind. Die Erwärmung der Erde muss begrenzt werden, die Weltgemeinschaft hat in Paris 2015 dazu einen klaren Zielkorridor definiert. Dieser völkerrechtliche Vertrag muss nun auch auf der kommunalen Ebene umgesetzt werden, denn der „Klimanotstand ist bittere Realität", wie der neue, mittlerweile 25. Klimabericht der UNO Ende März 2019 konstatiert