Das Schreiben der Grünen Stadtratsfraktion an Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler und die grüne Beigeordnete Irmgard Münch-Weinmann wegen der Rodungsmaßnahmen im Stadtwald Speyer zugunsten des Technikmuseums, das dort ein U-Boot für Sinsheim aus dem Wasser holen will (wir berichteten), hat es in sich. Die Erklärungen im Umweltausschuss sowie eine schriftliche Stellungnahme der Beigeordneten Münch-Weinmann wird als unzureichend, ja sogar als "verwirrend" bezeichnet.

Derzeit ermittelt das Dezernat Umweltkriminalität der Polizeidirektion Ludwigshafen in dieser Sache. Ungeachtet dessen bewerbe das Technikmuseum weiterhin auf seiner Homepage die Anlandung als "Event".
Auch seitens der Stadtspitze und der Stadtverwaltung gebe es keinerlei Hinweise, die nach Überzeugung der Grünen widerrechtliche Anlandung inmitten eines FFH-Schutzgebietes zu stoppen.
Die Briefschreiber fordern darin die Stadtverwaltung auf, wegen des Fehlens eines schriftlichen privatrechtlichen Vertrags die mündliche Zustimmung zur Rodung und Anlandung eines U-Bootes „ohne Verzug zurückzunehmen“.
Spannend wird auch die Beantwortung der Frage angesichts staatsanwaltlicher Ermittlungen sein, ob es seitens des Technikmuseums Vergünstigungen an städtische MitarbeiterInnen, an städtische Einrichtungen oder städtische Organisationen gegeben hat. Konkret wird gefragt, "ob diesem Kreis in der Vergangenheit materielle oder nicht materielle Vorteile, beispielsweise in Form von Sachleistungen, Eintrittskarten, Restaurantbesuchen oder ähnliche Vorteile verschafft wurden".
"Wir sind es den gebühren- und steuerpflichtigen BürgerInnen der Stadt Speyer schuldig, im Sinne der Gleichbehandlung, vollständige Transparenz herzustellen."

 

Hier der vollständige Wortlaut des Schreibens:
"Rodungsmaßnahmen im Stadtwald Speyer zugunsten des Technikmuseums Speyer-Sinsheim
Strafanzeige von Bündnis 90/Die Grünen gegen Unbekannt
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Seiler,
sehr geehrte Frau Beigeordnete Münch-Weinmann,
Fraktion und Vorstand von Bündnis90/Die Grünen hatten mit Schreiben vom 08.03.23 ange-fragt, ob es im Zusammenhang mit der geplanten Anlandung eines U-Bootes im Stadtwald Speyer eine naturschutzfachliche Genehmigung in Form eines Verwaltungsaktes und einen privatrechtlichen Vertrag gibt. In der Sitzung des Umweltausschusses vom 22.03.23 wurden die Fragen durch die Vorsitzende, Beigeordnete Frau Münch-Weinmann nur unvollständig beantwortet. Das mit gleichem Datum datierte Antwortschreiben der Beigeordneten klärt die offenen Fragen nicht und sorgt eher für zusätzliche Verwirrung, als dass eine Transparenz in dieser Affäre hergestellt wird.
In beiden Quellen wurde lediglich darauf verwiesen, dass es keinen schriftlich dokumentierten Vorgang gibt. Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass die nach § 34 erforderliche FFH-Vorprüfung nachgeholt wird und das Technikmuseum bereits einen Auftrag erteilt habe. Ungeachtet des laufenden Ermittlungsverfahrens kommuniziert das Technikmuseum Speyer-Sinsheim auf seiner Homepage einen dezidierten Projektablauf, der eine Anlandung des U-Bootes in Speyer am 7.05.23 ankündigt.
Um weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden, weisen wir auf Folgendes hin:
1. Der Sachverhalt ist im Hinblick auf die strafrechtliche Relevanz gravierend. Die Polizeidirektion Ludwigshafen (Dezernat Umweltkriminalität) hat ein entsprechendes Ermittlungsverfahren aufgenommen. Es ist ein zwischenzeitlich bundesweit beachteter Vorgang, dass ein Dezernat Umweltkriminalität gegen eine Stadtverwaltung förmliche Ermittlungen aufgenommen hat. Wir sind empört über die Tatsache, dass das Technikmuseum weiterhin auf seiner Homepage das Großereignis (Event) bewirbt, ohne dass auf die fragwürdige rechtliche Lage hingewiesen wird. Laut Zeitplan des Museums soll das U-Boot am 17.05.23 im FFH-Gebiet in Speyer anlanden. Seitens der Stadtspitze und der Stadtverwaltung gibt es keinerlei Hinweise die widerrechtliche Anlandung inmitten eines FFH-Gebietes zu stoppen. Vielmehr verharmlost die Stadt in ihren Aussagen den Fall und zeigt sich erstaunt über die öffentliche Reaktion. Wir weisen nochmals auf die Dramatik und Schwere der Situation hin. Bei dem gefährdeten Gebiet handelt es sich um ein förmlich ausgewiesenes Schutzgebiet nach Natura 2000. Ein Eingriff in dieses Gebiet ist ein Straftatbestand nach § 329 (3 und 4) Strafgesetzbuch und somit kein Kavaliersdelikt. Das Strafmaß (Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe) entspricht dem Straftatbestand der Körperverletzung und sollte Anlass für eine unmittelbare Korrektur der städtischen Entscheidung sein.
Zur Vermeidung weiterer Schäden für Natur und Umwelt fordern wir die Stadt auf, ohne je-den Verzug, alle bisherigen Absprachen mit dem Technikmuseum zurückzunehmen und eine Anlandung auf städtischem Grund zu verbieten. Sämtliche mündlichen Zusagen hoheitlicher und privatrechtlicher Natur sind aufgrund der Rechtswidrigkeit zurückzunehmen.
2. Eine Vorprüfung nach Abschluss der Maßnahme ist nicht möglich. Der Landauer Sachverständige, Herr Keller, hat darauf hingewiesen, dass die Erstellung eines solchen Gutachtens eine ganze Vegetationsperiode umfassen sollte, um möglichst alle Entwick-lungsstadien betroffener Tier- und Pflanzenarten zu erfassen. Eine Prüfung der Verträglich-keit nach FFH wäre innerhalb der vorgesehenen Projektzeit somit gar nicht mehr möglich. Eine Beauftragung eines Gutachtens durch den privaten Nutznießer, das Technikmuseum, ist nicht sachdienlich.
Wir fordern die Stadt auf, auf Kosten des Museumsbetreibers, ein Artengutachten und eine Verträglichkeitsprüfung der geplanten Maßnahme, einschließlich aller Korrekturmaßnahmen zur Behebung des bereits entstandenen Schadens, an einen unabhängigen Gutachter in Auftrag zu geben.
3. Das Fehlen eines schriftlichen privatrechtlichen Vertrages für eine Maßnahme dieses Umfangs halten wir für nicht zulässig und rechtwidrig. Wir fordern von der Stadt den Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages (Gestattungsvertrages), in dem die Art der Gestattung, Gewährleistung, Haftung, Schadensersatz, Gestattungsentgelt und die Regelungen nach Vertragsende vereinbart werden. Ein solcher Vertrag dient der Sicherheit der Stadt und dem Schutz vor möglichen wirtschaftlichen Nachteilen. Nicht nachvollziehbar ist der Hinweis im Bezugsschreiben, die Stadt habe keine privatrechtliche Vereinbarung geschlossen, die storniert werden könnte. Selbstverständlich gab es eine Vereinbarung, denn die Stadt weist doch selbst wiederholt darauf hin, es habe eine mündliche Zustimmung gegeben. Auch eine mündliche Zustimmung ist die erklärte Einigung über die Begründung eines Schuldverhältnisses (vgl. § 311 BGB).
Wir fordern die Stadtverwaltung auf, wegen des Fehlens eines schriftlichen privatrechtlichen Vertrags, die mündliche Zustimmung zur Rodung und Anlandung eines U-Bootes ohne Verzug zurückzunehmen.
4. Die Ausführungen der Stadt zum Verwaltungsverfahrensgesetz sind leider in allen vorgetragenen Punkten unzutreffend. Es ist zwar richtig, dass ein Verwaltungsakt auch mündlich erteilt werden kann. Ein Verwaltungsakt ist aber nach § 44 VwVfG nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Dies ist in vorliegendem Fall eindeutig gegeben. Nach § 44 (2) Nr. 3 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, den eine Behörde außerhalb ihrer begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein. Im Falle der Rodung, ist das Forstamt, als Untere Forstbehörde, zuständige Behörde. Der immer wiederkehrende Hinweis, der Forstbetrieb der Stadt Speyer oder die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Speyer habe eine Genehmigung erteilt, behebt den Fehler nicht. Die Stadt Speyer hat hier eine Genehmigung zur Rodung der Waldfläche erteilt, ohne fachlich zuständig zu sein. Die Rodungsgenehmigung ist somit nichtig.
Nach § 44 (2) Nr. 5 ist der Verwaltungsakt allein deshalb schon nichtig, weil er die Bege-hung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht. Die rechtswidrige Tat ergibt sich aus den betreffenden Paragraphen der FFH-Richtlinie des Bundesnaturschutzgesetzes und den Regelungen des Paragraphen 329 Strafgesetzbuch. Wir müssen auch der Auffassung der Stadt widersprechen, es sei kein förmlicher Verwaltungsakt ergangen. Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere ho-heitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (Legaldefinition nach § 35 VwVfG). Insofern widersprechen wir Ihrer Einschätzung, es sei noch kein förmlicher Verwaltungsakt ergangen.
Wir fordern die Stadtverwaltung auf, den rechtswidrigen Verwaltungsakt zur Genehmigung der Anlandung eines U-Bootes ohne weiteren Verzug zurückzunehmen.
5. Wir sind erstaunt, dass ein begünstigender Verwaltungsakt bzw. eine einseitig be-günstigende privatrechtliche Vereinbarung zugunsten eines privaten Dritten ohne Erstat-tung der Kosten, ohne privatrechtliches Entgelt und ohne Klärung von Schadensersatzan-sprüchen erfolgt ist. Daher stellt sich die Frage, ob es sonstige Gründe gibt, die zu dieser Begünstigung geführt haben. Wir sind es den gebühren- und steuerpflichtigen BürgerInnen der Stadt Speyer schuldig, im Sinne der Gleichbehandlung, vollständige Transparenz herzustellen.
Wir fordern die Stadtverwaltung daher auf, alle entscheidungsrelevanten Kriterien öffentlich bekannt zu machen. Insbesondere bitten wir um Beantwortung der Frage, ob es seitens des Technikmuseums Vergünstigungen an städtische MitarbeiterInnen, an städtische Einrichtungen oder städtische Organisationen gegeben hat. Insbesondere bitten wir um Beantwortung der Frage, ob diesem Kreis in der Vergangenheit materielle oder nicht materielle Vorteile, beispielsweise in Form von Sachleistungen, Eintrittskarten, Restaurantbesuchen oder ähnliche Vorteile verschafft wurden.
6. Ihren Hinweis zum Arbeitsaufwand zur Aufbereitung der Datensammlung dieser An-frage (insgesamt 2,00 Stunden Arbeitszeit in verschiedenen Besoldungsgruppen) haben wir zur Kenntnis genommen. Wir empfehlen, zur Vermeidung von Aufwand, zukünftig verwal-tungskonform bereits in der Entstehung von Verwaltungsentscheidungen zu arbeiten.
Nachrichtlich möchten wir Sie unterrichten, dass uns durch das mangelhafte Verwaltungs-handeln bisher ein Zeitaufwand von etwa 35 Arbeitsstunden (allesamt ehrenamtlich) ent-standen ist. Gerne verzichten wir aber auf gegenseitige Saldierung des Aufwandes.
Wir bitten darum unsere Forderungen, ohne jeden weiteren Verzug, umzusetzen, um weite-ren materiellen Schaden für die Stadt und den Naturhaushalt abzuwenden. Die lange Reak-tionszeit unsererseits ergibt sich aus der Tatsache, dass unser Schreiben vom 08.03.23 nicht unmittelbar beantwortet wurde, sondern lediglich in das Ratsinformationssystem eingestellt wurde und das Protokoll der Sitzung des Umweltausschusses noch immer nicht vorliegt."