Von Klaus Stein
Bei der Veranstaltung zum Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 setzten die Speyerer ein Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, denn die Teilnehmerzahl war so hoch wie selten zuvor. Nach dem traditionellen Gedenkmarsch vom Georgsbrunnen zum Mahnmal in der Hellergasse, auf dem Sabrina Albers anhand der Wohnungen ehemaliger Speyerer Juden an deren Schicksale erinnerte, zeigten die Redner*innen klare Kante gegen die neuen Nazis.

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Hauptredner Friedhelm Jakob, ehemals evangelischer Dekan in Speyer, stellte seine persönlichen Empfindungen beim Besuch mehrerer Konzentrationslager in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Da lasse sich die Unmenschlichkeit der Nationalsozialismus gut nachvollziehen. "Das Brennen der Synagogen 1938 ist ein letzter Test gewesen, wie Deutscher Geist auf Blindwütigkeit und Geistlosigkeit reagiert", so Jakob. Er leistete beim DGB-Vorsitzenden Axel Elfert Abbitte, denn er habe sich in der Vergangenheit bei dessen klaren Aussagen gefragt, ob er nicht übertreibe: "Nein, sage ich heute, er hat nicht übertrieben und ich hätte nie gedacht, dass man wieder Hass und antisemitische Hetze verbreiten darf."
Auch Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler ließ keinen Zweifel aufkommen, dass es in Speyer keinen Raum gibt für Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass auf Andersdenkende. Am 9. November 1938 habe der Nationalsozialismus endgültig seine "hässliche Fratze" gezeigt.
Anlässlich der jüngsten Ereignisse zweifelte Axel Elfert daran, dass die Deutschen ihre Vergangenheit wirklich aufgearbeitet haben. Er warnte angesichts der jüngsten Wahlerfolge der AfD die Parteien davor, einen Kuschelkurs zu betreiben, einer Partei, deren Vertreter am liebsten die politischen Gegner hinter Gittern sehen würden. "Verharmlosen hat in der Vergangenheit immer nur das Gegenteil bewirkt, wie das Schicksal der Gewerkschaften 1933 zeigte."
Er habe beobachtet, wie bei aggressiven Tönen der neuen Rechten im Stadtrat gegenüber sogenannten Linksgruppen und -bündnissen die Vertreter demokratischer Parteien meist keine Stellung bezogen "geschwiegen und geradeaus geschaut" hätten. "Demokratie verdient Zivilcourage und kein Duchmäusertum - sie muss jeden Tag neu gelebt und vertreten werden."
Mit missbilligender Mine und verzogenem Gesicht reagierte der Speyerer AfD-Vorsitzende, der sich unters Publikum gemischt hatte, auf die Redebeiträge.
Besonders schmerzhaft dürfte für ihn das Anti-Nazi-Lied von Uli Valnion in den Ohren geklungen haben, dessen Refrain "Nazis raus aus unserer Stadt, denn wir haben euch so satt, wir sagen Nazis, macht und verpisst euch, keiner vermisst euch" voller Inbrunst von den etwa 200 Teilnehmern mitgesungen wurde. (Fotos: ks)