Von Seán McGinley
An diesen Kampftag wird man sich in Speyer noch lange erinnern: Mit einem 9:5-Heimsieg gegen den JC Leipzig verabschiedeten sich die JSVler aus der Bundesligasaison. Nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Dramaturgie passte perfekt. Mehrmals wechselte die Führung, ehe einige spektakuläre Siege Mitte des zweiten Durchgangs die Pendel zugunsten des JSV ausschlagen ließen.
Dass es solcher Triumph werden würde, hätte man anfangs nicht erahnen können. Die zwei ersten Kämpfe gingen relativ schnell an den Favoriten. Doch der JSV kämpfte sich zurück, im wahrsten Sinne des Wortes. Philipp Müller musste gegen den starken Rumänen Laszlo Szoke alles aufbieten um in einem verbissenen und engen Duell dagegenzuhalten. Und das tat er, trotz zweier früher Strafen – in der Verlängerung erzielte er die entscheidende Wertung und verkürzte auf 1:2. Ganz ähnlich machte es anschließend Franz Haettich in einem ähnlich engen Kampf gegen Richard Fiedler. Dem Speyerer gelang die einzige Wertung und er behauptete seine Führung erfolgreich bis zum Ende der Kampfzeit. Dann war Onise Bughadze dran – fast immer eine sichere Bank für die Speyer. Doch heute hatte er zum einen mit Knieproblemen zu kämpfen und zum anderen mit Muhamad Dzhamalutdoniv einen Gegner, der ihm alles abverlangte und sogar in Führung ging. Doch Speyers Schwergewichtler biss sich durch, und belohnte sich schließlich selbst. Mit zwei Wertungen drehte er den Kampf und brachte Speyer erstmals in Führung. Diese war aber nicht von langer Dauer, denn Patrick Schmidt wurde nach einer Minute Kampfzeit von Leipzigs Routinier René Kirsten überlistet und musste den Kampf abgeben. Im letzten Duell des ersten Durchgangs ging für Speyer der zweite Georgier auf die Matte, Irakli Kupatadze. Auch er hatte einen hartnäckigen Gegner, der ihm alles abverlangte. Doch Kupatadze schaffte einen knappen Sieg, und es ging mit einer Speyerer Führung in die Halbzeit.
Jetzt war klar, das vieles davon abhängen würde, wie die vorgeschriebenen Wechsel auf beide Seiten sich auswirken. Zwei der Speyerer Wechsel gingen gleich in den ersten beiden Kämpfen auf die Matte. Doch die Ergebnisse waren die gleichen. Sowohl Martin Ludwig als auch Darius Kallenbach mussten den Punkt den Leipzigern überlassen – Vorteil für den Favoriten – 5:4 für Leipzig.
Dann kam es zur Neuauflage des Duells Philip Müller gegen Laszlo Soke, und man ahnte, dass dieser Kampf richtungsweisend sein würde. Wenn der erste Kampf schon ein Kraftakt war, dann war das, was Müller dieses Mal zeigte, geradezu titanisch. Vier Minuten Kampfzeit kamen und gingen, ohne dass einer der beiden Kämpfer eine Wertung zuließ. Auch in der Verlängerung das gleiche Bild – eine Minute, zwei, drei … die beiden schenkten sich nichts und gaben mit schwindenden Kräften alles, um den wichtigen Punkt für ihr Team zu holen. Die Zuschauer im Judomaxx honorierte ihre Leistungen mit frenetischem Beifall, der natürlich ganz laut und euphorisch aufbrauste, als es Müller kurz vor Ende der vierten Minute der Verlängerung gelang, seinen Gegner in einen Haltegriff zu nehmen, aus dem dieser nicht mehr entrinnen konnte – der erneute Ausgleich für den JSV.
Dann der dritte eingewechselte Kämpfer für den JSV, David Riedl. Er musste gegen den starken und erfahrenen Hannes Conrad antreten. Und er schaffte es, eine Wertung zu erzielen und die Führung über die Zeit zu bringen. Jetzt war der Druck bei den Leipzigern, Speyer führte wieder und schien auf Kurs für mindestens ein Unentschieden. Onise Bughadze agierte im zweiten Kampf gegen Dzhamalutdoniv souveräner und gewann mit zwei Wertungen nach knapp zwei Minuten, um Speyers Führung auf 7:5 auszubauen. Damit hatte der JSV mindestens ein Unentschieden sicher und Leipzig musste die letzten beiden Kämpfe gewinnen, um eine Niederlage abzuwenden. Zunächst die Revanche zwischen Patrick Schmitt und René Kirsten – und was für eine! Schmitt machte es dieses Mal besser und übertrumpfte den Routinier nach etwas über eine Minute Kampfzeit – Freudenexplosion auf der Tribüne und auf der Speyerer Bank, auf der natürlich längst niemand mehr saß – alle standen am Mattenrand und feierten mit ihrem siegreichen Teamkollegen den entscheidenden Punkt. Den Schlusspunkt setzten Irakli Kupatadze mit einem souveränen Sieg mit Ippon nach etwas über drei Minuten.
JSV-Teamchef war nach dem Kampf verständlicherweise restlos begeistert: „Es war einfach überragend – und letztendlich auch verdient. Es war einfach ein geiler Abschluss für eine super Saison, dass wir die Mannschaft geschlagen haben, die im Laufe der Saison die anderen Top-Teams geschlagen hat.“ Rückblickend betrachtet wären die Speyerer vielleicht sogar in die Finalrunde gekommen, hätten sie eines der unglücklich verlorenen Duelle gegen Sindelfingen oder Abensberg gewonnen. Doch darüber möchte sich beim JSV niemand ärgern. Man freut sich darüber, noch ein bisschen näher an die Spitze herangerückt zu sein. „Andere Mannschaften haben mehr Kaderathleten oder Leute aus der absoluten Weltspitze, und wenn die dann dabei sind, dann wird es natürlich schwer für uns. Aber unsere Stärke ist, dass unsere Kämpfer immer da sind, und dass sie für jeden unbequeme Gegner sind. Irgendwann wird die Saison kommen, in dem alles passt und wir in die Finalrunde einziehen. Dieses Jahr hätte so ein Jahr sein können. Irgendwann wird es klappen, davon bin ich überzeugt“, so der Speyerer Teamchef.
Was den Kampf selbst betrifft, gab es gleich mehrere Kämpfer, die sich einen Sonderlob verdient hatten. Allen voran natürlich Philip Müller mit seinen zwei Siegen in der Verlängerung. „Das waren Schlüsselkämpfe vom Philipp – der hat uns zweimal sozusagen am Leben erhalten. Hätte er verloren, hätte es 0:3 beziehungsweise 4:6 gestanden. Das war ganz wichtig, dranzubleiben. Aber auch Franz, Patrick, David…. Das waren gigantische Leistungen. Das I-Tüpfelchen war dass es nicht darauf ankam, dass Irakli im letzten Kampf den entscheidenden Punkt holen musste, wo er natürlich Favorit war, sondern dass David und Patrick wir jeweils gegen die Favoriten gewonnen haben. Das hat alles noch viel spektakulärer und emotionaler gemacht“, so das Fazit von Michael Görgen-Sprau – das dürften die zahlreichen JSV-Fans in der Halle genau so gesehen haben.